Foto: Paul Buciuta

Auf einen Schnack mit: Anita Hartig

Nach Klassikern von Verdi und Puccini steht mit Charles Gounods „Faust“ wieder eine französische Oper auf dem Spielplan. Die rumänische Sopranistin Anita Hartig ist in der Partie der Marguerite im April bei uns zu Gast. Wir haben in der Probenpause kurz mit ihr geschnackt…

Wie fühlt es sich an, französische Opern zu singen?

Anita Hartig: Die französische Musik ist sehr delikat, würde ich sagen. Ich mag es gerne, zwischen französischem und italienischem Repertoire zu wechseln. Aber ich liebe das Französische einfach! Die Phrasen müssen zarter und luftiger projiziert werden. Bei Puccini sind sie vergleichsweise sehr tief und fleischig – bei Gounod muss es viel „schwebender“ sein. Das ist die Herausforderung bei französischer Musik! Man muss in guter emotionaler und physischer Verfassung sein, um sie entsprechend auf der Bühne zu präsentieren. Im Unterschied zur gesprochenen Sprache, ist es beim Gesang wichtig, mehr zu adjustieren, um den Zuschauersaal und die Bühne auszufüllen. Das sind kleine Details, die man beachten muss. Ich denke, ich habe ein gutes Gespür für dieses Fach und ich liebe es sehr, mit dem Text zu spielen.

Welche Eigenschaft der Marguerite können wir uns abschauen?

Anita: Ich glaube, wir tragen alle gewisse Eigenschaften der Charaktere in uns: sowohl von Marguerite und Faust, aber auch von Mephisto. Manchmal zeigt sich der eine Teil vielleicht etwas stärker als der andere. Ich bin der Meinung, dass jeder für sich selbst entscheiden sollte, wer oder wie er sein möchte, solange er niemandem damit schadet.

Irgendwie singe ich immer Partien, die mir und meiner Persönlichkeit nahe liegen – aber das ist natürlich relativ. Selbstopferung, Liebe, Enttäuschung: Das ist uns wohl allen schonmal passiert. Ich kann so ein junges Mädchen, das von der Gesellschaft und von der Familie verlassen wurde, gut verstehen. Sogar ihr Bruder verflucht sie! Das ist wohl der letzte Stich ins Herz. Es ist irgendwie nachvollziehbar, dass sie, nachdem sie verlassen und verurteilt wurde, den Verstand verliert…

In dieser Inszenierung stehst du auf einer Bühne voll überdimensionaler Tulpen. Wie verbringst du die ersten Frühlingstage am liebsten?

Anita: Am liebsten natürlich draußen in der Natur! Ich stehe gerne auf der Bühne, aber wir verbringen hier 6 bis 7 Stunden am Tag und das ist für den kreativen Geist ein wenig anstrengend. Bei diesem Wetter sehne ich mich ins Grüne, ans Wasser, in den Wald… Ich denke, dass wir uns die Energie nur durch die Natur zurückholen können. In der Stadt sind wir umgeben von Beton und da ist es schwer, sich zu erden. Leider ist zum Energietanken wenig Zeit, das hole ich dann im Sommer nach: Ich halte mir diese Zeit meistens frei, um Abstand zu bekommen und meine Familie zu sehen. Wir haben in der rumänischen Landschaft ein Häuschen, mit Tieren, umgeben von Bäumen und Blumenwiesen, man hört nur die Vögel singen. Da tauche ich in völlige Ruhe ein!

 

Anita Hartig

Hartig Anita 1© Yannis Velissaridis

Die gebürtige Rumänin glänzte in ihrer Paraderolle als Mimì bereits an der Mailänder Scala, am La Monnaie Bruxelles, an der Staatsoper Hamburg, in Covent Garden, an der Metropolitan Opera in New York und der Opera Bastille in Paris. 2015 debütierte sie als Violetta (La Traviata) am Gran Teatre del Liceu. Sie tritt zudem regelmäßig in vokal-symphonischen Konzerten auf und singt Partien in Kompositionen von Bach, Haydn, Brahms und anderen. Von 2009 bis 2014 war sie Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper.

In der Spielzeit 2017/18 ist Anita Hartig unter anderem zu erleben als Antonia (Les Contes d’Hoffmann) an der Metropolitan Opera, Mimì am Teatro Real Madrid, Marguerite (Faust) an der Wiener Staatsoper und der Hamburgischen Staatsoper. Außerdem übernimmt sie in Wien und an der Metropolitan Opera die Partie der Mimì in „La bohème“. Abschließen wird sie die Spielzeit mit einer konzertanten Vorstellung von „Faust“ in Moskau und als Mimì am Teatro dell’Opera di Roma.

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