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Spanien-Reiseblog Tag 2: Zwischen Plastikfiguren und Jugendstil

Der zweite Tag in Barcelona führt zwischen Gotik und Jugendstil und überladenen Schaufenstern – zum musikalischen Auftakt der Reise.

Aufgrund der Überfülle des Angebots wird heute die Rubrik „Schaufenster des Tages“ eingeführt. Das erste zeigt Plastikfiguren, die „Caganer“ genannt werden, angeblich – man glaubt es kaum – werden sie als Krippenfiguren zur Weihnachtszeit gerne genommen, dabei sind es Figuren, die sich mit heruntergelassenen Hosen erleichtern, direkt neben dem Stall! Offenbar eine speziell katalanische jahrhundertealte Tradition, die die Stadtregierung Barcelonas einmal einschränken wollte – denn auch in der riesigen, öffentlich aufgebauten Krippe sollten die „Scheißerchen“ vorkommen, doch das Volk war dagegen. Unschwer zu erkennen ist auf dem Foto die Politikerriege, auch und gerade welche von zweifelhaftem Rang. Warum Trumps Name, sowie die von Hollande und Merkel nicht bekannt zu sein scheinen, sehr wohl aber der von Putin und Marine Le Pen (excusez-moi, Madame, auf den rechten Rand hab ich nicht geachtet!) konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Calixto Bieito, der Regisseur von „Otello“ und „Gesualdo“ pflegte immer die eigenen Ideen, die er im Nachhinein verworfen hatte, als „caca de la vaca“ zu bezeichnen – schließlich ist auch er Katalane.

Das Schaufenster bot sich uns dar während eines wunderschönen Spaziergangs durch das gotische Viertel (Barri gòtic) und durch das Viertel El Born, im Unterschied zu El Raval etwas schicker, anders ausgedrückt: gentrifiziert. Stationen waren die elegante, aber durch den rohen Stein gleichzeitig wunderbar einfache gotische Basilika Santa Maria del Mar, den großartigen Palau de la Música Catalana (ein jungendstiligeres Gebäude ist kaum vorstellbar) und die riesige, überbordende Markthalle La Boqueria.

Unsere Guida Christine berichtet ausgesprochen kenntnisreich, engelsgeduldig und mit unüberhörbar Berliner Zungenschlag über die Carrer d‘ Avinyô, einer Straße, die den Namen der südfranzösischen Stadt Avignon trägt, weil Katalonien, zum Zeitpunkt seiner größten Macht ebenso Südfrankreich wie auch Mallorca beherrschte (weshalb dort heute noch Catalans gesprochen wird). Dann folgt die Volte zu Picasso, dessen berühmtes Gemälde „Les Demoiselles d‘ Avignon“ sich nicht auf Bewohnerinnen von Avignon bezog, sondern auf die Damen in der gleichnamigen Straße, die dort ihrem Beruf der Prostitution  nachgingen. Das Gemälde gilt als erstes kubistisches Bild in der Geschichte der Malerei. Nochmal Picasso: Wir kommen an einem sehr schönen, mit plastischem Wandschmuck im Jugendstil (modernismo im spanisch/ katalanischen) versehenen Restaurant vorbei, dem 4 gats, in dem der noch junge Maler oft saß und auch Speisekarten gestaltete. Die vier Katzen sind an der Außenfassade zu sehen.

Schostakowitsch in der Jugendstilperle

Heute abend der erste Abend mit Musik im Palau de la música catalana. Was an Hamburg erinnert: der Bau wurde in Gänze von den Bewohnern Barcelonas finanziert zu Beginn des 20. Jahrhundert, begründet von der Energie eines Chores, der sich ebenfalls von „normalen“, d.h. nicht professionell ausgebildeten Chorsängern zusammensetzte. Erstaunlich ist, dass der Saal klein wirkt und doch 2100 Menschen Platz bietet, so viel wie die Elbphilharmonie. Seit einigen Jahren ist die Jugenstilperle UNESCO-Weltkulturerbe. Nach dem Konzert mehr.

Das Konzert ist zu Ende. Das Philharmonische Orchester St. Petersburg unter der Leitung von Juri Temirkanov und die Violinistin Leticia Moreno lieferten eine großartig eindringliche Version dieses verstörenden musikalischen Psychogramms eines prekären geschichtlichen Moments im schwierigen Leben des Komponisten Dmitri Schostakowitsch: 1947 komponierte er sein 1. Violinkonzert, das unter den restriktiven Verordnungen, was und wie Kunst zu sein hatte, keine Chance hatte. Der Komponist trieb eine Tiefenbohrung in seinem Selbstverständnis, das nicht aufführbar war. Das Werk blieb bis nach Stalins Tod in der Schublade. Leticia Morena scheint Töne, Tongebungen zu finden, die die trost- und aussichtslose Lage des Komponisten hörbar machen: fahl, hohl, in einigen Momenten „unschön“, aber umso wahrhaftiger.

Die 6. Symphonie ist nicht so sehr die Sache des part-time bloggers. Das liegt nicht an der Ausführung, auch nicht an der handwerklichen Perfektion des Komponisten. Einfach nicht „my cup of tea.“

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Danach geht’s im La Perla noch um den Neo-Feudalismus in Hamburg unter spezieller Berücksichtigung der kulturfördernden Strukturen im Stadtstaat. Dass diese Diskussion „off the records“ stattfand, versteht sich von selbst.

Bis morgen!