Auf einen Schnack mit: Andriana Chuchman
Sie singt die weibliche Titelpartie in unserer nächsten Premiere dieser Spielzeit „Orphée et Eurydice“: die kanadische Sopranistin Andriana Chuchman. Zwischen Proben auf der Opernbühne und dem Ballettzentrum trafen wir sie zum Gespräch.
Du bist das erste Mal in Hamburg. Wie ist dein Eindruck?
Andriana: Ich bin erst seit einer Woche hier, daher habe ich außer den Wegen zu den Proben noch nicht viel gesehen. Diese Rolle hier ist mein Deutschland-Debüt, daher kommt zu all den Eindrücken noch eine gewisse Aufregung und Vorfreude hinzu. Ich kann allerdings jetzt schon sagen, dass Hamburg eine sehr schöne Stadt ist und ich freue mich darauf, noch mehr zu sehen und zu erkunden. Ich möchte zum Beispiel bald um die Alster spazieren und gute Restaurants und Cafés erkunden. In den sechs Wochen, die ich hier sein werde, möchte ich die Möglichkeit nutzen mir Hamburg und Umgebung genauer anzuschauen und die hiesige Kultur zu erleben. Das gesamte Team der Oper und des Balletts sind sehr nett und geben mir gute Vorschläge, was ich hier erkunden und besuchen sollte.
Du hast die Rolle der Eurydice bereits in vorangegangenen Aufführungen in den USA gesungen. Was verbindet dich mit dieser Rolle?
Andriana: Die Rolle ist für mich sehr besonders. In dieser Produktion von „Orphée et Eurydice“ hatte ich auch mein Rollendebüt. Obwohl die Oper aus dem 18. Jahrhundert stammt, wirkt Eurydice wie aus unserer Zeit, da sie eine starke und unabhängige Frau ist. Daher kann ich mich – wie fast jede Frau – mit ihr identifizieren. Ich war noch nie am Anfang einer Oper tot (lacht), das ist also etwas Neues für mich. Allerdings hat John Neumeier die Rolle so gestaltet, dass Eurydice vorher ein Leben hatte und man bei der Ouvertüre einen kleinen Blick auf sie und ihr Leben erhaschen kann. Ihre wahre Stärke sehe ich in der Szene im Hades (wenn Orphée zu ihrer Rettung kommt, sie aber nicht ansehen darf): Trotz der Tatsache, dass sie ihren Mann unglaublich liebt, weiß sie nicht, ob es die richtige Entscheidung ist, mit in die Welt der Lebenden zu kommen, da Orphée ihre Liebe in dem Moment nicht erwidern darf und dies auch nicht tut. Sie folgt nicht einfach, sondern handelt überlegt und aus freiem Antrieb. John Neumeier schafft es sehr gut, diese Tatsachen gut nachvollziehbar auf die Bühne zu bringen, was meinen Job wesentlich einfacher macht.
Orphée bezwingt den Tod durch seine musikalische Kunst. Hast du Erfahrungen gemacht, in denen dir Musik geholfen hat?
Andriana: Definitiv! Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, in der ich nicht gesungen habe. Etwas in mir wollte immer schon singen, auch wenn ich nur Musik gehört habe. Glücklicherweise habe ich die Möglichkeit, singen zu dürfen und dies professionell zu tun. Das Schöne an Musik ist, dass sie dich durch glückliche, wie auch durch traurige Zeiten tragen und begleiten kann. Es gibt für alle Emotionen und alle Bedürfnisse Musik, die passt und dich beeinflussen kann. Wenn man beispielsweise traurige Musik hört, gibt sie einem das Recht, traurig zu sein. Musik ist sehr mächtig.
Was für besondere Anforderungen bringt diese Ballettoper für dich als Sängerin mit sich?
Andriana: Unser Regisseur ist diesmal ein Choreograf. Und obwohl er in der „Ballett-Welt“ zuhause ist, schafft er es, auf einer guten Basis mit den Sängerinnen und Sängern zu arbeiten. Dafür bin ich sehr dankbar. Mit John Neumeier ist der Arbeitsablauf sehr geschmeidig und organisch. Das hilft uns ungemein. Er beeindruckt durch seine Ehrlichkeit und seinen Fokus auf eine gelungene Produktion, was im Sinne aller Beteiligten ist.
Eurydice ist die Primaballerina, Orphée ist der Choreograf und der „Anführer“ des Balletts in dieser Inszenierung. Ich hatte selbst neun Jahre lang Ballettunterricht am Royal Winnipeg Ballet und sechs Jahre lang Unterricht im Ukrainischen Tanz. Daher habe ich durchaus Tanzerfahrung, obwohl ich mich selbst nicht als Tänzerin bezeichnen würde. Ich kann mich eben bewegen. Aber gerade als Opernsängerin ist es aufregend, sowohl zu singen als auch zu tanzen. Da das Stück und die Rolle so sehr mit dem Ballett verbunden sind, gibt es Momente, in denen ich nicht nur mit Gesang, sondern auch mit Tanz die Gefühle von Eurydice zum Ausdruck bringen muss. Eine gewisse tänzerische Ausbildung ist für diese Rolle unabdingbar. Eine vollkommene Neuerung im Vergleich zu einer „klassischen“ Oper ist das allerdings nicht, da es beispielsweise auch Opern gibt, in denen die Sängerinnen und Sängern auf Instrumenten musizieren müssen. Jede Oper ist eben anders und auf ihre Weise besonders. Hier ist der Fokus auf dem Tanz. Das macht meiner Meinung nach den großen Reiz an der Oper aus.
Andriana Chuchman
Die kanadische Sopranistin Andriana Chuchman wurde in Winnipeg geboren und erhielt ihre Gesangsausbildung an der School of Music der University of Manitoba. Zudem ist sie Alumni des Ryan Opera Centers der Lyric Opera of Chicago und Absolventin des Merola-Programms der San Francisco Opera. Andriana sang bereits Partien wie Marie („La Fille du Regiment“), Valencienne („Die lustige Witwe“), Eurydice („Orphée et Eurydice“), Adina („L’elisir d’amore“), Gretel („Hänsel und Gretel“), Pamina („Die Zauberflöte“), Susanna („Le Nozze di Figaro“), Zerlina („Don Giovanni“), Lauretta („Gianni Schicchi“), Pat Nixon („Nixon in China“) und Miranda („The Enchanted Island“). Engagements führten sie bereits an die Metropolitan Opera, San Francisco Opera, Lyric Opera of Chicago, Houston Grand Opera, Canadian Opera Company, Los Angeles Opera, Washington National Opera, Dallas Opera, San Diego Opera, Atlanta Opera, das Opera Theater of St. Louis, Glimmerglass Festival, Glyndebourne Festival, Chicago Opera Theater, Ravinia Festival, Lincoln Center White Lights Festival und Spoleto Festival USA.