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Auf einen Schnack mit: Anja Silja

Liebe Frau Silja, wir freuen uns sehr, Sie wieder an der Staatsoper Hamburg zu haben. Der Doppelabend Pierrot lunaire von Arnold Schönberg und La voix humaine von Francis Poulenc wird am 11. Oktober Premiere haben. Die Musikalische Leitung hat Kent Nagano. Regie und Animation von Pierrot lunaire liegen bei dem jungen Videasten Luis August Krawen, die Szenische Einrichtung von La voix humaine übernimmt Opernintendant Georges Delnon.

Wie nehmen Sie die aktuelle Corona-Zeit wahr?

Anja Silja: Das kann ich nur aus sehr persönlicher Sicht beantworten. Corona hat mein Leben nicht verändert, da ich ja nur noch hin und wieder auftrete und ansonsten ein zurückgezogenes Leben führe mit Besuchen meiner Kinder und Enkel und ein paar Freunden, was ja eigentlich immer möglich war bei dem warmen Wetter in der Natur. Überhaupt finde ich, dass wir – im Vergleich zu anderen Ländern – erstaunlich viel Freiheit haben und hatten. Aber, wie gesagt, ich bin nicht auf Berufsarbeit angewiesen, das würde es sicher komplizierter machen.

Sie haben in Ihrer Karriere ein ganz vielfältiges Spektrum an Partien gesungen. Was ist Ihre Beziehung zu Schönberg und Pierrot lunaire?

Schönberg hat, nach meiner Wagner-Zeit, eine große Rolle in meiner Karriere gespielt. Erst mit seinen Orchesterliedern, dann mit der Erwartung, die ich weltweit gesungen habe, szenisch und konzertant – eine sehr wichtige Partie in meinem Repertoire. Pierrot lunaire später dann ebenfalls, unter anderem in Aix-en-Provence, Brüssel, Wien, Chicago etc. Oft mit Pierre Boulez und Klaus Michael Grüber als Regisseur.

Wie haben Sie die Entwicklung des Opernbetriebs seit Ihren Anfängen bis heute wahrgenommen?

Die Entwicklung des Opernbetriebes kann ich eigentlich erst einordnen nach meinen Bayreuth-Jahren. Bis dahin war ich tatsächlich zu jung, um darüber nachzudenken und ich musste es auch nicht, wenn ich zurückdenke. Die Opernhäuser, an denen ich schon in so jungen Jahren war, Braunschweig, Frankfurt und Stuttgart, wurden von außergewöhnlichen Intendanten geleitet (in ersterem hatte der Intendant den Mut, mich schon als 15-Jährige zu engagieren). Dann kam Wieland Wagner. Er war und wird immer der größte künstlerische Einfluss meines Lebens sein, wie auch meines privaten Lebens. Der Maßstab, den er mit seinen zukunftsweisenden Inszenierungen setzte, prägte mein ganzes Berufsleben. Es war eine Zeit der Suche nach der inneren Weiterentwicklung und nicht, wie erschreckend verbreitet, die Orientierung auf Kommerz und Äußerlichkeiten (das trifft allerdings heute auf sehr viele Gebiete unseres Lebens zu). Das wäre damals nicht zu finden gewesen. Diese Entwicklung trübt meine Sicht auf den Kunstbetrieb.

Gibt es für Sie einen musikalischen Wunsch, etwas, das Sie unbedingt noch machen möchten?

Mit Sicherheit nicht! Ein so breites Repertoire, wie ich es gesungen habe, sollte für dieses Leben reichen.

Vielen Dank für das Gespräch und toi, toi, toi für Pierrot lunaire!

 


 

Anja Silja war an der Staatsoper Hamburg zuletzt 2012 als Gräfin in Pique Dame zu erleben und 2017 als Sprecherin in den Gurre-Liedern von Arnold Schönberg beim 10. Philharmonischen Konzert in der Elbphilharmonie. Im gleichen Jahr wurde sie mit dem Opera News Award in New York gekürt. Mit sechs Jahren begann ihr Großvater und der lebenslang einzige Lehrer mit ihrer Gesangsausbildung. Ab dem zehnten Lebensjahr begannen die Konzerte und Reisen, erster Auftritt in Hamburg war 1951. Bereits mit 16 Jahren stand sie als Rosina in Il Barbiere di Siviglia auf der Bühne in Braunschweig. Als Senta debütierte sie mit nur 20 Jahren bei den Bayreuther Festspielen, worauf weitere große Wagner-Partien wie Isolde, Brünnhilde, Eva, Elisabeth, Elsa und Venus folgten – allesamt in Wieland Wagners Inszenierungen. In den letzten Jahren war die in Berlin geborene Sopranistin in Wien, Zürich, Barcelona, Berlin, Hamburg, New York, London, Paris, Aix-en-Provence und beim Glyndebourne Festival hauptsächlich mit den großen Frauenrollen Janáčeks zu erleben. Ortrud, Amme (Frau ohne Schatten) und Klytämnestra gehören ebenso zu ihrem Repertoire wie die Mère Marie und Madame de Croissy (Dialogues des Carmélites), die sie an der Mailänder Scala sang. Pierrot lunaire interpretierte Anja Silja bereits u.a. in New York, Boston und Aix-en-Provence.