Auf einen Schnack mit: Bernhard Berchtold
Bernhard Berchtold ist „Die Nase, in Gestalt eines Staatsrates“ in der Eröffnungsproduktion der Spielzeit 2019/20 „Die Nase“. Wir trafen den österreichischen Tenor kurz vor der Premiere.
Warum sollte man diese Inszenierung von „Die Nase“ sehen?
Berchtold: Ganz grundsätzlich sollte man unbedingt reingehen, weil das Stück so selten gespielt wird! Außerdem bin ich davon überzeugt, dass durch die Partnerschaft von Karin Beier und Kent Nagano ein kongeniales Duo gefunden worden ist. Das ist ein Glücksfall, dass die beiden hier zusammen dieses Stück erarbeiten.
Und zur Inszenierung: Es ist einfach wunderbar mitzuerleben – schon durch die Besetzung von Bo Skovhus – wie ein anfänglich kraftvoller, naiver Charakter versucht, in einer starren Gesellschaft eines autoritären Gesellschaftssystems unreflektiert Karriere zu machen. Das wird verstärkt durch die „Kostümkörperverformung“: Er hat diese Verformungen anfangs noch nicht. Alle anderen, die sich irgendwo in diesem System angepasst haben, aber schon. Und dadurch, dass er diese Karriere machen will, muss er auch beginnen, sich zu verformen. Und das wird am Ende auch sehr schön gezeigt durch die Verwandlung seines Kostüms. Die körperliche Verformung drückt die innere Verformung aus.
Was sind Ihre persönlichen Herausforderungen bei „Die Nase“?
Berchtold: Meine Herausforderungen sind die, dass man in einer relativ kleinen, kurzen Partie die Spannung halten muss, 20 hohe Cs zu singen. Und das hatte ich bisher noch nie. Das ist überdurchschnittlich, finde ich.
Das Stück wurde 1930 uraufgeführt. Die Handlung endet in einer Megahysterie. Sehen Sie Parallelen zu heute?
Berchtold: Das ist in einem Punkt anders heute, weil die Menschen damals viel existenzieller betroffen waren. Und zwar alleine dadurch, dass der Umsturz eines alten Gesellschaftssystems innerhalb ein paar weniger Kriegsjahre vollzogen wurde. In Russland noch verstärkt durch die Oktoberrevolution, bei der ein ganz konträres System neu aufgebaut wurde. In den ersten nachrevolutionären Jahren gab es eine große Freiheit – das weiß man ja auch aus den Tagebüchern von Marc Chagall, der auch mit Schostakowitsch zusammenarbeitete. Plötzlich war alles für alle möglich, egal welcher Religionsgemeinschaft man angehörte, welcher Ethnie. Es herrschte eine große Freiheit. Und als dann das System plötzlich Eckpfeiler aufbaute, die diese Freiheit über Nacht einschränkten – und zwar sehr gravierend einschränkten – gab es eben nur ein Ventil: Kritik über Kunst äußern und zwar auch so versteckt, wie Gogol das in seinem Stoff machte.
Insofern sehe ich in dieser Hinsicht keine Parallele zu heute, weil wir ja eigentlich im Überfluss leben. Schwer zu sagen, ob es Tendenzen gibt. Klar hat jeder seine Befürchtungen, wo es hinführen könnte – irgendwann. Aber es gibt doch auch dieses Sprichwort: „Mit einem vollen Magen gibt es keine Revolution“. Dann gehen die Menschen nicht auf die Straße. Und es sind auch unterschiedliche Hintergründe. Natürlich haben wir auch unsere Probleme… Wir leben schon in einem sehr spannenden Zeitabschnitt heute, nicht wahr?
Bernhard Berchtold
Der österreichische Tenor Bernhard Berchtold studierte am Mozarteum in Salzburg bei Horiana Branisteanu sowie in der Liedklasse von Hartmut Höll. Er war bereits in vielen großen europäischen Opernhäusern und Festspielen zu Gast, dazu zählen das Theater an der Wien, das Teatro alla Scala, die Bayerische Staatsoper, die Opera di Firence und auch die Salzburger und Bayreuther Festpiele. Wichtige Partien sind unter anderem Erik („Der fliegende Holländer“), Max („Der Freischütz“), Don Ottavio („Don Giovanni“), Tamino („Die Zauberflöte“), Alfredo („La Traviata“), Werther („Werther“) und Boris („Katja Kabanova“). An der Staatsoper Hamburg wird er in der Saison 2019/20 in der Eröffnungspremiere „Die Nase“ zu sehen sein.