Auf einen Schnack mit: Christiane Karg
Christiane Karg war Mitglied des Internationalen Opernstudios und ist seither an den wichtigen Opern- und Konzerthäusern aufgetreten. An der Staatsoper Hamburg war sie zuletzt als Pamina und als Mélisande zu Gast.
An der Staatsoper werden Sie erstmals die Titelrolle in „Daphne“ singen. Da Ihre bisherigen Rollen in Opern von Richard Strauss vornehmlich Zdenka in „Arabella“ oder Sophie im „Rosenkavalier“ gewesen sind, heißt das nun, Sie wagen sich in dramatische Gefilde vor?
Christiane Karg: Das würde ich so nicht sagen. Die Daphne ist ja ein sehr zartes Wesen, und daher passt zu ihrem Charakter eine lyrische Stimme. Diese Rolle wurde zwar von dramatischen Sängerinnen wie Ricarda Merbeth gesungen, aber eben auch von lyrischen Sopranen wie Lucia Popp. Und an solchen Erfahrungen orientiere ich mich ein bisschen.
Wie haben Sie sich auf diese Herausforderung vorbereitet?
Christiane Karg: Ganz gleich, wie gut man sich vorbereitet, man erfährt immer erst auf der Bühne zusammen mit dem Orchester, was diese Partie einem abfordert. Also, es ist eine lange Partie, da Daphne ständig auf der Bühne beschäftigt ist. Und es ist eine Partie mit sehr tiefen und auch hohen Lagen. Da ist alles drin: dramatische Momente, lyrische Augenblicke – in jeder Hinsicht also eine vielschichtige Partie.
Wie kam es zu dem Entschluss diese Rolle zu singen und das sogar in einer Repertoirevorstellung?
Christiane Karg: Man hat nicht immer die Möglichkeit, dass man eine Wunsch-Rolle für eine Premiere angeboten bekommt. Und so oft wird diese Oper auch nicht gegeben. „Daphne“ habe ich in Frankfurt kennengelernt, wo ich eine der Mägde gesungen habe. Das war in einer Produktion von Claus Guth. Da habe ich mich total in dieses Stück verliebt. Es ist nicht allein die Partie der Daphne, ich finde das gesamte Stück unglaublich faszinierend.
Benötigen Sie bei der Erarbeitung gerade einer solchen Rolle bestimmte Identifikationspunkte?
Christiane Karg: Ja, aber gar nicht nur in vokaler Hinsicht. Unter diesem Aspekt wäre zum Beispiel die Sophie im „Rosenkavalier“ die interessantere Partie, die mir viele Türen zu Opernhäusern geöffnet hat, etwa an der Mailänder Scala, wo ich mit dem Opernregisseur Christoph Waltz zusammengearbeitet habe oder an der Dresdner Semperoper mit Christian Thielemann. Diese Rolle habe ich in kurzer Zeit sehr oft gesungen, aber mit der Figur kann ich – aufrichtig gestanden – nicht so viel anfangen. Ich habe gemerkt, dass sie mich kein Stück weiter bringt und eher in eine Sackgasse führt. Deshalb habe ich die Rolle der Sophie relativ früh wieder abgeben.
Kennen Sie die Hamburger „Daphne“-Inszenierung von Christof Loy?
Christiane Karg: Ich habe mir eine Aufzeichnung angeschaut. Solche Werke sind bei Christof Loy sehr gut aufgehoben, weil er sie bewusst psychologisch deutet. Man kann, glaube ich, das Stück nicht 1:1 übersetzt auf die Bühne bringen. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum es so selten gespielt wird. Es gibt Opern, die man traditionell inszenieren kann, besonders aus dem italienischen Repertoire. Aber bei so einem Stück muss man sich schon etwas einfallen lassen, damit es nicht hoffnungslos antiquiert wirkt.
Eine Frage, die bei einem ehemaligen Mitglied des Opernstudios der Staatsoper natürlich nicht fehlen darf: Was hat Ihnen diese Zeit damals gebracht?
Christiane Karg: Es war eine sehr wichtige Zeit, schon allein, weil ich meine Grenzen erfahren durfte. Damals hatte ich bereits bei den Salzburger Festspielen debütiert, und es hätte alles ganz schnell losgehen können. Aus solcher Sicht bedeutete der Aufenthalt im Opernstudio für mich eher eine Bremse, denn an einem kleineren Haus hätte ich wahrscheinlich größere Partien zu singen bekommen. Aber ich sammelte für mich wertvolle Erfahrungen und lernte von großartigen Sängern. Man erfährt viel im Berufsalltag, entdeckt dabei auch Sachen, die nicht mehr so gut laufen. Man lernt also, mit dem möglichen Verschleiß besser umzugehen. Denn man hört als junger Sänger bei erfahrenen Kollegen natürlich sehr genau hin, ja, und da gibt es manchmal wertvolle Fingerzeige. Das bezieht sogar Erkenntnisse mit ein, wie: So will ich eigentlich nicht klingen in zwanzig Jahren. Das Opernstudio war daher eine wichtige Schule, denn ich hatte ja vorher noch nie an so einem großen Haus gesungen. Ich lernte, auch ohne Probe in einer Vorstellung zu singen. So erging es mir damals beispielsweise, als ich für ein Blumenmädchen in der letzten Vorstellung einer Parsifal-Serie einspringen musste. Man probt kurz alleine, und auf der Bühne befindet man sich dann urplötzlich zwischen unzähligen Sängern und Statisten. In solchen Fällen geht es einfach darum, sich im Repertoirealltag zu behaupten. Frühe Erfahrungen dieser Art möchte ich keinesfalls missen, denn, aufrichtig gesagt, viel härter als im deutschen Repertoiresystem kann es nicht werden. Das sage ich auch immer amerikanischen Kollegen, die sich überfordert fühlen, wenn sie an einem Tag in „La Bohème“, am nächsten in „Figaros Hochzeit“ und am übernächsten in der „Zauberflöte“ singen sollen. Es ist zwar eine harte Schule, aber man lernt wesentliche Dinge innerhalb kürzester Zeit. Und trotzdem liegt die sogenannte große Kunst für mich eher in kleineren Produktionen, die künstlerisch oft wertvoller sind, selbst wenn die Budgets meistens zwangsläufig kleiner sind.
Sie sind künstlerische Leiterin des Festivals Kunstklang in Ihrer Heimatstadt Feuchtwangen. Besonders am Herzen liegt Ihnen ein Projekt, in dem es um Musikvermittlung bei Kindern und Jugendlichen geht. Wann ist diese Idee entstanden?
Christiane Karg: Vor gar nicht so langer Zeit. In den ersten Berufsjahren ist man als Künstler noch sehr mit sich selbst beschäftigt und muss sich zurechtfinden. Aber ich denke, mit den Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe, kann man schon gut über einen Beruf und eine Berufung erzählen, den und die viele nicht kennen. Kinder und Jugendliche können sich unter einem Opernsänger nichts vorstellen, und da sehe ich als ein wichtiges Anliegen, dass wir selbst unsere Eigenwerbung in die Hand nehmen. Ich habe gemerkt, wenn man mit Passion und mit leuchtenden Augen den Jugendlichen und Kindern von der Arbeit erzählt, dann fangen sie auch Feuer. Und ich finde, das sollten wir Sänger übernehmen und nicht nur allein den Pädagogen überlassen, die dafür engagiert sind, Musikvermittlung zu machen. Ich bin der festen Überzeugung, das sollten Künstler selber machen und Jugendliche zudem zu Proben einladen und sie persönlich treffen, weil das dann ein völlig anderes Miteinander ergibt. Auf diese Weise bekommen junge Menschen eine ganz andere Vorstellung und auch viel mehr Respekt, wenn sie uns später auf der Bühne erleben – also ein „Generationsprojekt“ der besonderen Art.
Interview: Annedore Cordes (Auszug aus dem Journal #6 der Spielzeit 2018/19)
Christiane Karg
Die in Feuchtwangen geborene Sopranistin Christiane Karg studierte am Salzburger Mozarteum bei Heiner Hopfner sowie in der Liedklasse von Wolfgang Holzmair und wurde für ihren Masterabschluss im Fach Oper/Musiktheater mit der Lilli-Lehmann-Medaille ausgezeichnet. Nach einem ersten Engagement im Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper wechselte sie ins Ensemble der Oper Frankfurt, wo sie sich wichtige Partien erarbeiten konnte, darunter die Susanna, Pamina, Servilia, Musetta, Zdenka, Mélisande, Sophie und die Titelpartie in „La Calisto“. Inzwischen gastiert sie regelmäßig an führenden Opernhäusern wie dem Theater an der Wien, der Bayerischen Staatsoper, der Komischen Oper Berlin, der Semperoper Dresden, der Opéra de Lille, der Mailänder Scala und der Metropolitan Oper in New York. In dieser Spielzeit ist Christiane Karg an der Hamburgischen Staatsoper in der Titelpartie in „Daphne“ zu erleben.