Auf einen Schnack mit: Thomas Ebenstein
Der österreichische Tenor ist regelmäßiger Gast in unserem Haus und probt gerade für die erste Neuproduktion des Jahres: „Fidelio“. Über Demokratie, Freiheit und welche Wirkung ein Opernbesuch haben kann – ein kleiner Schnack auf der Probebühne.
Wofür probst du gerade?
Thomas Ebenstein: Gerade laufen die Proben für die Neuproduktion „Fidelio“, in der ich den Jaquino singe. Wir proben seit Mitte Dezember und freuen uns jetzt schon sehr darauf, in zwei Wochen zu zeigen, woran wir gearbeitet haben! Die Zusammenarbeit mit Georges Delnon ist sehr spannend und herausfordernd, er hat eine klare Vorstellung vom Stück. Daher macht es viel Freude, mit ihm gemeinsam in den Proben eine Figur zu kreieren. Er versteht es auch, aus seinen Darstellern intensive Gefühlsausdrücke herauszukitzeln. Ich freue mich immer, wenn man nicht nur musikalisch, sondern auch szenisch sehr intensiv arbeitet.
Nach der Premiere beginnen dann die Proben für „Eugen Onegin“ – ich finde es spannend, wenn sehr schöne ältere Inszenierungen im Repertoire bleiben und durch neue Darsteller mit neuem Leben erfüllt werden und auf der anderen Seite die Neuproduktionen sich mit der Gegenwart auseinandersetzen.
„Fidelio“ ist eine klassische Befreiungsoper und spiegelt die gesellschaftlichen Unruhen der Zeit, die unerfüllten Wünsche nach Gerechtigkeit wider. Auch zwei Jahrhunderte später beschäftigen uns die Themen Freiheit und Gerechtigkeit. Wie aktuell ist Oper?
Thomas: Meines Erachtens ist Fidelio aktueller denn je, weil Freiheit und Gerechtigkeit immer gefährdet sind. Überall auf der Welt sitzen Menschen zu Unrecht im Gefängnis, weil sie für ihre Überzeugungen eingetreten sind. Auch in unserer Gesellschaft müssen Freiheit und Gerechtigkeit immer verteidigt werden. Ich glaube daher, dass wir gerade heute eine wachsame Demokratie brauchen. Ansonsten kann es passieren, dass radikale Kräfte – sei es von links oder von rechts – versuchen, die Demokratie zu destabilisieren. Sie ist ein hohes Gut, für das es sich immer zu kämpfen lohnt.
Kunst oder gerade auch ein Opernbesuch, sind in meinen Augen auch Mittel, die Menschen wieder wachzurütteln und sie für die Vorgänge um sie herum zu sensibilisieren. Insbesondere glaube ich, dass die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur für die Bildung und Entwicklung eines jeden Menschen eine wichtige Rolle spielt. In dieser Produktion setzen wir uns mit den Themen Freiheit und Gerechtigkeit auf der Bühne auseinander. Dabei haben wir als Sänger die Gelegenheit, uns täglich zu fragen, ob Dinge gut für unser persönliches Umfeld, für ein einzelnes Land, oder sogar ganz Europa sind. Bei Beethoven denken wir natürlich immer an Europa.
Welche Highlights warten 2018 auf dich?
Thomas: Hier in Hamburg warten noch zwei besondere Stücke auf mich: Zum einen freue ich mich auf die Serie des „Figaro“ von Stefan Herheim, weil ich seine Arbeiten sehr bewundere und auch weil es mir sehr viel Freude bereitet, in einen Charakter von ihm zu schlüpfen. An der Wiener Staatsoper werde ich in dieser Spielzeit noch u.a. in einer Neuproduktion „Dantons Tod“, einer Oper von Gottfried von Einem, mitwirken. Im Herbst dann an einer Uraufführung einer neuen Oper von Johannes Maria Staud. Parallel zum Fidelio erscheint auch demnächst meine erste Solo-CD mit humorvollen, hochromantischen Liedern von Zemlinksy, Korngold, Richard Strauss und Schönberg. Dazu singe ich Ende Januar einen Liederabend mit diesem Programm im Wiener Musikverein. Es wird also garantiert nicht langweilig!
Thomas Ebenstein
Thomas Ebenstein wurde 1979 in Kärnten geboren und erhielt seine Gesangsausbildung an der Wiener Musikuniversität bei Helena Łazarska. Er ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Gastengagements führten ihn an viele der wichtigsten Opern- und Konzerthäuser Europas sowie zu zahlreichen Festivals. Sein Repertoire umfasst Partien wie Pedrillo (Die Entführung aus dem Serail) – u.a. bei den Salzburger Festspielen, auch als DVD bei Arthaus Musik, David (Die Meistersinger von Nürnberg), Steuermann (Der fliegende Holländer), Tanzmeister (Ariadne auf Naxos), Schreiber (Chowanschtschina), Truffaldino (Die Liebe zu den drei Orangen) und Alfred (Die Fledermaus).
In der Spielzeit 2017/18 ist er in Hamburg in „Fidelio“, „Eugen Onegin“, „Das Rheingold“ und „Le Nozze di Figaro“ zu erleben.