Champagnerrausch der Sinne und der Farben: Die Fledermaus
Champagner hat’s verschuldet, tralalalala …“, stimmt Rosalinde im Finale der Fledermaus an. Wir könnten mit bitterem Humor sagen: „Corona hat’s verschuldet“; denn auch diese Premiere konnte in der letzten Spielzeit aufgrund des Lockdowns in der Pandemie nicht stattfinden. Immerhin war die Generalprobe noch möglich, und so ist die Staatsoper sehr glücklich, die spektakuläre Produktion des Künstlerduos BARBE & DOUCET endlich live präsentieren zu können!
Sie sind in Hamburg keine Unbekannten: BARBE & DOUCET haben bereits mit La Belle Hélène einen veritablen Operettencoup an der Staatsoper gelandet und wurden schon 2011 für die Ausstattung von La Cenerentola mit dem eaterpreis Hamburg – Rolf Mares ausgezeichnet.
Auch für Die Fledermaus haben die beiden Künstler eine faszinierende Bühnenwelt erschaffen und sich dabei vom Wiener Prater inspirieren lassen. Deutlich wird dabei, dass die „Goldene Operette“ schon in ihrer Entstehungszeit ein ironischer Spiegel der gesellschaflichen Verhältnisse war. Liebe und Eheglück waren gerade in den sogenannten besseren Kreisen oft eher ein geschäftlicher Vorgang als pure Romantik.
Auch Eisenstein und Rosalinde, gerade Mal ein Jahr verheiratet, spüren längst, dass eher Überdruss und Langeweile als tief empfundene Liebe den Alltag bestimmen, weshalb beide unabhängig voneinander neue Abenteuer suchen – und natürlich sehr darauf bedacht sind, den Schein zu wahren.
BARBE & DOUCET haben dafür eine spektakuläre Metapher gefunden, das Riesenrad auf dem Prater: „Das Stück ist viel mehr als eine spaßige Komödie, es steckt eine faszinierende Schärfe darin. Die Protagonisten beschließen, einen Pakt einzugehen: Ja, so können wir weiterleben. Aber wir machen, was wir wollen. Viele Leute denken, dass ihre Hochzeit der wichtigste, schönste und glücklichste Tag des Lebens ist. Dabei ist sie erst der Anfang eines großen Abenteuers. Im Prolog erschaffen wir deshalb einen Freizeitpark namens „Liebesland“, der dem Wiener Prater entlehnt ist. Dort gibt es ein Riesenrad, von dem man sagt, dass man sich dort zu Schäferstündchen traf, da es sich sehr langsam dreht. Es war der beste Ort für eine Affäre. Und dann gibt es natürlich den Themenpark „Venedig in Wien“. Gibt es etwas Romantischeres als Venedig?“
Johann Strauß Sohn, dessen eigenes Ehe- und Liebesleben alles andere als konfliktfrei war und der schon bei seinen getrennt lebenden Eltern erfuhr, dass Schein und Sein nicht dasselbe sind, führte die Wiener Operette zu Weltruhm und ist bis heute ihr genialster musikalischer Anwalt geblieben. Partien wir Rosalinde, Adele, Alfred, Orlofsky oder Eisenstein verlangen virtuose Sängerdarsteller*innen und wurden immer wieder von Stars der Opernszene interpretiert. Jonathan Darlington, der musikalische Leiter der Neuproduktion, antwortet auf die Frage nach der besonderen Herausforderung der Partitur:
„Da ist ganz gewiss die Feinheit des Werkes. Überall steht piano, pianissimo, staccato usw. Die Tendenz ist, solche Momente zu heftig zu spielen und zu singen. Wenn ein Wiener Walzer – ‚tschtschipp- tschipp, tsch-tschipp-tschipp‘ – ein heftiger Kuchen mit Schlagsahne ist, entspricht er nicht dem, was ich in den Noten sehe. Die Musik spricht eine andere Sprache. Sie ist unglaublich schön und unglaublich fein. Und genau deshalb ist sie heikel.“
Die Fledermaus – ein Werk voller, o auch unangenehmer Wahrheiten über die Untiefen des menschlichen Charakters und eine entlarvende Satire auf die bürgerliche Gesellschaft. Doch sie wäre nicht die Königin aller Operetten, die bis heute mit ihrem Charme, ihrer mitreißenden Musik und ihrer Vitalität noch jedes Publikum verzaubert, wenn nicht am Ende alle gemeinsam mit Rosalinde anstimmen würden:
Champagner hat’s verschuldet, tralalalala,
Was wir heut erduldet, tralalalala!
Doch gab er uns auch Wahrheit
Und zeigt’ in voller Klarheit
Mir meines Gatten Treue
Und führte ihn zu Reue.
Stimmt ein, stimmt ein!
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste sie genannt!
Von Ralf Waldschmidt