Ensembleporträt

Entspannt die Zukunft im Blick

Der Bassist Minseok David Kang ist neu im Ensemble der Hamburgischen Staatsoper

Ein Beitrag von Elisabeth Richter aus dem journal Nr. 5 der Spielzeit 2022|23.

Es gibt Sänger-Karrieren, die scheinen Selbstläufer zu sein. Die Sängerin oder der Sänger kommt aus einer musikalischen Familie. Sind dann noch eine schöne Stimme, Talent und die so nötige Energie vorhanden, dann gibt es zumindest eine gute Prognose für eine erfolgreiche professionelle Laufbahn. Vieles von dem trifft auch auf Minseok David Kang zu. Aber der Süd-Koreaner mit dem ausdrucksstarken, warmen Bass hat einen ungewöhnlichen Weg hinter sich, bis er seit dieser Spielzeit Ensemblemitglied an der Hamburgischen Staatsoper wurde.

Foto: Brinkhoff/Mögenburg

„Als ich ein Kind war, spielte Musik überhaupt keine Rolle. Es interessierte mich einfach nicht. Meine Eltern hörten ein bisschen Popmusik, manchmal haben wir Karaoke gesungen. Das wars.“ Aber dann ging der 13-jährige David allein für ein paar Jahre von seiner Heimatstadt Seoul nach Vancouver in Kanada zu Verwandten, um Englisch zu lernen, Erfahrungen zu sammeln. „Zum ersten Mal bin ich in Vancouver in der Kirche mit dem Singen in Berührung gekommen. Dort gibt es Bands, wo die Kinder Gitarre oder Schlagzeug im Gottesdienst spielen. Ich habe da gesungen, das war schwierig, weil ich es noch nie vorher getan hatte.“ Um besser zu werden trat David Kang in den Schulchor ein. „Dort habe ich dann meine Bassstimme entdeckt. Anscheinend war sie wirklich besonders. Denn die Lehrerin in der Schule sagte mir, du hast eine wundervolle Stimme, du solltest Gesangsunterricht nehmen.“

So kam David Kang zu der Mezzosopranistin Sandi Siemens, einer erfahrenen Gesangspädagogin, die beispielsweise auch den Popsänger Michael Bublé unterrichtet hat. Sandi Siemens erkannte David Kangs Stimm-Potenzial und riet ihm zu klassischem Gesang mit Schwerpunkt Oper und Lied. „Zuerst dachte ich: ‚Oper, oh mein Gott‘. Ich wusste überhaupt nicht, was das war. Beispielsweise hatte ich noch nie etwas von der ‚Zauberflöte‘ gehört, bis auf ein paar Töne von der Königin der Nacht. Das kannte ich aus der Werbung.“ Schnell fing David Kang Feuer. „Das erste Lied, das ich lernte, war ‚Du bist wie eine Blume‘ von Schumann. Ich hatte vorher noch nie etwas gehört, das so schön ist. Ok, Popsongs sind auch ganz nett, man hat Spaß damit. Aber es gibt nichts Schöneres als Musik von Schumann, Schubert, Mozart oder Verdi. Meine erste Lehrerin hat mir die klassische Musik wirklich nahegebracht.“ Fünf Jahre blieb David Kang in Kanada. Seine Stimme machte Fortschritte, und so reifte in dieser Zeit ein folgenschwerer Entschluss. „Mir wurde einfach klar, dass ich die klassische Musik so sehr liebe, dass ich sie zu meinem Beruf machen und davon leben wollte.“ Also ging der Bassist zurück nach Seoul und studierte an der Kyunghee University bei dem Tenor Alfred Kim. „Er singt überall in Europa, von seinen Erfahrungen habe ich viel gelernt. Er hat mich optimal auf meine Karriere in Europa vorbereitet.“

Nach dem Bachelor in Seoul ging David Kang mit seiner Freundin und heutigen Frau, einer Sängerin, nach Deutschland. Er schaffte auf Anhieb die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Stuttgart, wo er seinen Master-Abschluss machte. Dann war auch ein bisschen Glück im Spiel. Er lernte den dänischen Bariton Bo Skovhus kennen, der ihm empfahl sich am Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper zu bewerben. Auch das klappte auf Anhieb. David Kang war – abgesehen von kleineren Auftritten in Stuttgart und bei Festivals – zum ersten Mal an einem großen Opernhaus. „Ich war beeindruckt von der unglaublichen Professionalität der deutschen Opernhäuser.“ Wichtiger war aber eine andere Erfahrung. „Auf der großen Bühne singen zu können. In der Ausbildung hat man dazu in der Regel nicht die Gelegenheit. Es ist ein riesiger Unterschied, in einem Probenraum oder einem kleinen Saal zu singen. Sich hier im Opernstudio in kleinen Rollen auf der großen Bühne ausprobieren zu können, ist einfach eine großartige Sache für junge Sänger.“

Was die Zukunft angeht, da ist der heute 30-jährige David Kang ziemlich entspannt.  „Als Bass bin ich noch jung. Die Stimme entwickelt sich noch. Später würde ich gern König Philipp aus Verdis Don Carlos singen oder den Landgrafen aus Wagners Tannhäuser, das wäre eine fantastische Rolle für einen Bass.“ Doch alles zu seiner Zeit. Entscheidend ist für David auch, eine gute Balance von Beruf und Privatleben zu finden. „Ich arbeite hart in den Proben, und natürlich gebe ich mein Bestes auf der Bühne. Aber ich möchte nicht 24 Stunden am Tag an das Singen denken. Das wäre einfach zu viel für mich. Ich brauche auch freie Zeit für mich und meine Frau, denn sie ist die wichtigste Person in meinem Leben.“