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Hummel Hummel – Mors Mors: Faust trifft Musiktheaterpädagogin

Kaum ist der Frühling in Hamburg angekommen, blüht auf der Bühne der Staatsoper auch schon die Tulpenpracht – in Charles Gounods „Faust“. Die Titelpartie singt der französische Tenor Jean-François Borras, der sich gemeinsam mit unserer Musiktheaterpädagogin Eva Binkle unseren neugierigen Fragen gestellt hat.

Wann habt ihr eure erste Oper erlebt?

Eva Binkle: Ich habe schon als Kind im Chor gesungen und dort meine ersten Erfahrungen mit Oper gemacht – so stand ich für „Hänsel und Gretel“ und „Die Zauberflöte“ auf der Bühne. In meiner Schulzeit habe ich dann Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ gesehen. Das Stück kam mir aber damals noch seltsam vor…

Jean-François Borras: Meine erste Oper war „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Ich habe die Rolle eines Kindes gesungen, stand also gleich auf der Bühne. Mit meinen Eltern bin ich, glaube ich, nie in die Oper gegangen – obwohl meine Mutter die Oper geliebt hat. Ich bin erst relativ spät, mit Anfang 20, an die Oper gekommen. Zuvor habe ich geistliche und klassische Musik gemacht habe und auf dem Konservatorium meine gesanglichen Fähigkeiten verbessert.

© Brinkhoff/Mögenburg

© Brinkhoff/Mögenburg

Habt ihr Goethes „Faust“ gelesen?

Eva: Ja, ich musste „Faust I“ und „Faust II“ in der Schule lesen. Ich war im Deutsch-Leistungskurs und da stand natürlich eine Menge Lektüre auf dem Lehrplan. „Faust“ habe ich sogar ganz gerne gelesen. Es hat allerdings gedauert, bis ich mit der Sprache zurechtgekommen bin. Als ich ungefähr 16 war, habe ich dann auch beide Teile im Theater gesehen und fand es wirklich toll!

Jean-François: Ich musste Goethes Drama nicht in der Schule lesen. Allerdings habe ich mich später intensiv mit der Geschichte und vor allem mit der Figur Faust beschäftigt. Das Werk komplett zu lesen, steht allerdings noch aus…

Wenn ihr wie Faust einen Zaubertrank zu euch nehmen könntet, welche Wirkung sollte dieser haben?

Jean-François: Das kommt darauf an, wann man mir einen solchen Trank in meinem Leben anbieten würde. In ein paar Jahren wäre ein Verjüngungstrank vielleicht eine verlockende Option (lacht)! Jetzt fände ich es spannender, einen Zaubertrank zu nehmen, der mir die Fähigkeit gibt, in der Zeit zurück zu reisen. Dann hätte ich die Chance, lebensverändernde Entscheidungen noch einmal zu treffen und herauszufinden, was dann passiert. Obwohl das natürlich auch eine gefährliche Sache sein könnte…

Eva: Ich würde durch den Zaubertrank gerne fliegen können, sodass ich jederzeit an jeden Ort der Welt reisen könnte.

Jean-François: Oh, ja! Nie mehr Jetlag!

Alt oder neu?

Jean-François: Das ist schwierig! Wenn wir über Opern reden, würde ich mich für die Klassiker entscheiden. Ich bin aber auch offen für neue Sichtweisen und Interpretationen und mag es beispielsweise, wenn der Ort, an dem die Oper spielt, verändert wird. Die Musik hingegen muss ich wiedererkennen können. Letztendlich würde ich sagen, wir brauchen beides: alt und neu.

Eva: Wie Jean-François schon sagt, es kommt immer darauf an. Beim Thema Musik mag ich beide Seiten – ganz neue Musik von heute und sehr, sehr alte Musik.

Wein oder Bier?

Jean-François: Ich trinke allgemein sehr wenig und Bier mag ich überhaupt nicht. Wenn, dann trinke ich ein bisschen Wein – französischen natürlich (lacht).

Eva: Bei mir hängt das wirklich vom Tag und dem Anlass ab. Ich mag aber grundsätzlich beides.

Musik lieber auf CD oder dem Smartphone?

Jean-François: Heute können wir in kürzester Zeit alles mit dem Smartphone erledigen, was natürlich unheimlich praktisch ist. Innerhalb von Sekunden kann ich mir die Aufnahme einer ganzen Oper aus dem Internet herunterladen und sie unterwegs hören. Die Klangqualität von CDs ist allerdings viel besser als die von MP3s oder Streaming-Angeboten. Aufnahmen sind aber natürlich – egal wie gut – trotzdem kein Vergleich zur Live-Musik. Sie ruft einfach noch viel stärkere Emotionen hervor!

Eva: Genau, viele junge Leute wissen gar nicht, wie schön Musik klingen kann, weil sie sie nur über ihr Handy hören. Wir entscheiden uns einfach beide für Live-Musik, würde ich sagen (lacht).

© Brinkhoff/Mögenburg

© Brinkhoff/Mögenburg

Frage von Eva an Jean-François: Was magst du am meisten an Gounods „Faust“?

Jean-François: Meine Lieblingsstelle die Musik und die Figur Faust betreffend, ist gleich zu Beginn, wenn Faust noch alt ist. Ich finde es sehr interessant, wenn sich die Charaktere in einer Oper extrem verändern – wenn sie im einen Moment ein Liebesduett singen und im nächsten schon jemanden umbringen wollen – das wird in „Mefistofele“ von Arrigo Boito beispielsweise sehr spannend verarbeitet. Gounods Musik ist einfach wunderschön und sehr kraftvoll!

Frage von Jean-François an Eva: Du arbeitest hier an der Oper mit Kindern – wie alt sind die jüngsten Besucher?

Eva: Ich arbeite als Musiktheaterpädagogin für die Oper und das Orchester mit Kindern, die aus Kindergärten und Schulen zu uns kommen. Seit der letzten Spielzeit bieten wir auch „Musiktheater für Babys“ an. Es ist unheimlich wichtig, den Kindern von klein auf den Kontakt mit klassischer Musik zu ermöglichen. Sie sind noch völlig unvoreingenommen: Die Kleinen sehen, hören, fühlen und erleben so viel in einer Vorstellung! Außerdem merke ich oft, dass die Eltern, die eigentlich zu uns kommen, um ihren Kindern etwas Gutes zu tun, die Oper und klassische Musik überhaupt erst für sich entdecken.

Wir müssen die Türen zu unserem Haus für die jungen Generationen öffnen, um Vorurteile abzubauen. Ich habe nun zum Beispiel zu „Faust“ eine ganz andere Beziehung, weil ich dich im Interview kennengelernt habe und dadurch jemanden kenne, der am Ende auf der Bühne steht. Viele unserer Formate bieten den Kindern ebenfalls diese Chance – indem sie zum Beispiel die Orchestermusiker aus der Nähe erleben.

 

Jean-François BorrasBorras_Jean Francois_Porträt

Schon bald nach Abschluss seiner Ausbildung begann der Tenor Jean-François Borras seine Karriere mit Engagements als Alfredo (La Traviata), Edgardo (Lucia di Lammermoor), Des Grieux (Manon Lescaut) sowie als Herzog (Rigoletto). Es folgten Rollendebüts als Gounods Roméo (Roméo et Juliette) und Rodolfo (La bohème). Seit 2007 ist er an den führenden Opernhäusern der Welt aufgetreten. Zuletzt sang er in „La bohème“, „Macbeth“, „Thaïs“, „Lucia di Lammermoor“ und „Werther“.

Engagements der Spielzeit 2017/18 sind unter anderem „Werther“ und „La traviata“ an der Wiener Staatsoper, „Faust“ an der Hamburgischen Staatsoper, „Carmen“ an der Opera Hong Kong sowie „Mefistofele“ beim Orange Festival.

Binkle_EvaEva Binkle

Eva Binkle studierte Orchestermusik mit Hauptfach Oboe an der Musikhochschule ihrer Heimatstadt Saarbrücken. Es folgten zwei Jahre als Oboistin am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden und Projekte mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern.

Ihre Begeisterung für die Vermittlung des Opern- und Konzertrepertoires bewegte sie zu einem Masterstudium an der Hochschule für Musik in Detmold, wo sie Musikvermittlung und Konzertpädagogik studierte. Eine Fortbildung in musikalisch-szenischer Interpretation bei Rainer O. Brinkmann an der Staatsoper in Berlin komplettierte ihre Ausbildung.

Von 2013 bis 2015 war sie als Musiktheaterpädagogin am Saarländischen Staatstheater engagiert, wo sie jungen Menschen die große Welt der Oper nahe brachte und im Konzertbereich erfolgreiche neue Reihen etablierte. Als Musiktheater- und Konzertpädagogin ist sie seit September 2015 an der Hamburgischen Staatsoper engagiert.