Hummel Hummel – Mors Mors: Florestan trifft Vorderhausleiterin

Abends vor Vorstellungsbeginn: Er betritt das Haus durch den Bühneneingang, sie öffnet die Türen für das Publikum. Die Mission der beiden? Ein zufriedenes Publikum! Der britische Tenor Christopher Ventris, der als Florestan in „Fidelio“ zu erleben ist, und Miriam Akan, Leiterin des Vorderhausbetriebs, waren zu Gast bei „Hummel Hummel – Mors Mors“…

Wie riecht Theaterluft?

Christopher Ventris: Für mich ist Theaterluft zum einen der Geruch nach Make-Up und Puder, aber zum anderen auch eine Atmosphäre. Sobald man ein Theater oder Opernhaus durch den Bühneneingang betritt, liegt eine bestimmte Spannung in der Luft – eine Mischung aus Aufregung und positiver Energie.

Miriam Akan: Was im Opernhaus in der Luft liegt, hängt ganz davon ab, zu welcher Zeit ich ankomme: Ich betrete die Oper durch den Haupteingang: Morgens, wenn ich meine Schicht beginne, riecht es im Vorderhaus normalerweise nach Reinigungsmittel, wenn ich abends, kurz vor der Vorstellung komme, duftet es herrlich nach Brezeln.

Florestan sitzt in „Fidelio“ zu Unrecht im Gefängnis. Wenn heute euer letzter Tag in Freiheit wäre, was würdet ihr damit anfangen?

Christopher: Es gibt sehr viel, was ich noch machen wollen würde… Es gibt Orte, die ich sehen möchte und einige verrückte Sachen, die ich gerne ausprobieren würde, zum Beispiel Tauchen oder mit einem schnellen Ferrari ein paar Runden drehen. Im Sommer habe ich während ich bei den Bayreuther Festspielen gesungen habe, die deutschen Autobahnen sehr zu schätzen gelernt. In England sind die Straßen oft eng und überfüllt, aber hier in Europa habe ich wirklich Spaß am Autofahren.

Miriam: Ich würde ans Meer fahren und ein paar Stunden am Strand verbringen. Danach würde ich meine Familie und meine Freunde sehen wollen, vielleicht gemeinsam etwas essen und einfach die Zeit in ihrer Gesellschaft genießen.

Arno Declair

Christopher Ventris als Florestan

Wann musstet ihr das letzte Mal wie Leonore euren ganzen Mut zusammen nehmen?

Christopher: Ich habe zwei kleine Kinder, die beide bei uns zu Hause geboren wurden. Bei der Geburt dabei zu sein, hat auch mir als Mann viel Mut abverlangt. Ich hatte in dem Moment zwar nur eine unterstützende Rolle, aber ich musste mit Gefühlen umgehen, die ich bis dahin noch nicht kannte. Das ist wirklich ein überwältigendes Erlebnis für alle Beteiligten!

Miriam: Ich musste zuletzt mutig sein, als ich für meinen ersten Backpacking-Trip nach Brasilien reisen wollte und mit den Meinungen meiner Freunde konfrontiert wurde. Die hielten mich nämlich alle für verrückt und haben gesagt: „Du kannst doch nicht ganz allein nach Brasilien gehen!“. Aber ich habe es gewagt und es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Brasilien ist ein wunderbares Land mit traumhaften Stränden und die Menschen sind einfach unglaublich herzlich und hilfsbereit.

Parkett oder Loge?

Christopher: Wenn ich als Zuschauer in die Oper gehe, setze ich mich gerne in den ersten Rang, denn von dort habe ich den Überblick über das ganze Geschehen.

Miriam: Ich habe auch gerne die komplette Bühne im Blick, möchte aber trotzdem nah genug dran sitzen, um die Emotionen von den Gesichtern der Sänger ablesen können. Deshalb sitze ich am liebsten mittig im Parkett.

Gute Vorsätze für das neue Jahr: schon erfüllt oder bereits verworfen?

Miriam: Also, ich habe angefangen, meine Vorsätze umzusetzen und bisher habe ich sie auch erfüllt…

Christopher: Ich habe eigentlich jedes Jahr den Vorsatz, mich fit zu halten. Ein dicker Florestan, der sechs Monate bei Wasser und Brot im Gefängnis sitzt? Das wäre unglaubwürdig! Also versuche ich, mich gesund zu ernähren und mich viel zu bewegen. Außerdem versuche ich, so oft wie möglich zu Hause bei meinen Kindern zu sein.

Herr über das Chaos oder Hüter der Ordnung?

Christopher: Im Berufsleben muss ich ein Hüter der Ordnung sein. Die Leute denken oft, dass wir im Showbusiness immerzu Spaß haben und feiern, aber das stimmt nicht. Als Sänger muss man Verantwortungsbewusstsein haben, für sich selbst Regeln aufstellen, sich an Zeitpläne halten und über alles die Kontrolle haben. Oft sitzt man allein in seinem Appartement und fokussiert sich schon auf das, was morgen oder übermorgen ansteht, um gut vorbereitet zu sein. Dazu bedarf es Disziplin!

Miriam: Bei meiner Arbeit bin ich meistens Herrscherin über das Chaos! (lacht) Sobald wir vor den Vorstellungen die Türen öffnen, strömen so viele Menschen gleichzeitig ins Gebäude: Einige haben ihre Eintrittskarten vergessen, andere kommen zu spät oder sind das erste Mal bei uns zu Gast und brauchen Hilfe bei der Orientierung. Von allen Seiten werden mir dann Fragen gestellt und ich muss trotzdem den Überblick behalten.

Frage von Christopher an Miriam: Wie bist du hier gelandet?

Miriam: Ich bin über Umwege zur Oper gekommen und habe etwas studiert, das eigentlich gar nichts damit zu tun hat – Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Im letzten Sommer habe ich dann im Künstlerischen Betriebsbüro beim Rheingau Musik Festival gearbeitet. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich weiterhin im Bereich der klassischen Musik und der Oper arbeiten wollte. Später habe ich dann das Stellenangebot für die Staatsoper in Hamburg gesehen, mich beworben und jetzt bin ich hier. Vorher war ich auch für einen Fernsehsender im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und in der Gastronomie tätig. Dort habe ich Erfahrungen im Umgang mit Menschen gemacht, die mir bei meiner jetzigen Arbeit natürlich sehr helfen.

Frage von Miriam an Christopher: Hast du ein Lieblingsbuch?

Christopher: Eigentlich lese ich kaum Romane oder Bücher, obwohl ich viel Zeit zum Lesen hätte. Vielleicht liegt es daran, dass ich in meinem Beruf schon von so vielen Geschichten umgeben bin. Ich lese fast nur Sachtexte – Kritiken in Opernmagazinen und Biografien. Ich habe allerdings viele Bücher und Magazine über Wein. Wenn ich zu Hause bin und Zeit habe, dann lade ich gern Freunde ein, um neue Weine zu probieren. Einzige Ausnahme: Ich lese meinen Kindern gerne Geschichten vor. Gerade lesen wir zusammen „Die Chroniken von Narnia“.

 

© Christopher Ventris

© Christopher Ventris

Christopher Ventris

Christopher Ventris gehört zu Großbritanniens erfolgreichsten Tenorsängern und ist vor allem für sein Wagner-Repertoire bekannt, auf das er seine internationale Karriere in den letzten zwanzig Jahren fokussiert hat.

Er war bereits weltweit an renommierten Opernhäusern in Partien wie Parsifal, Lohengrin, Siegmund (Die Walküre), Tannhäuser, Erik (Der fliegende Holländer), Rienzi, Peter Grimes, Jim Mahoney (Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny), Števa (Jenufa), Max (Der Freischütz), der Titelrolle in Pfitzners „Palestrina“ und Fürst Andrey Khovansky (Khovanshchina) zu erleben.

In der Spielzeit 2017/2018 debütiert Ventris an der Hamburgischen Staatsoper als Florestan unter der musikalischen Leitung von Kent Nagano.

Miriam Akan

© Sarah Weissberg

© Sarah Weissberg

Miriam Akan ist in Aschaffenburg aufgewachsen und absolvierte ein Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Buchwissenschaft und Anglistik in Mainz und Dijon. Neben dem Studium war sie freie Mitarbeiterin beim Landessendermarketing des SWR Rheinland-Pfalz und im Sommer 2016 im Künstlerischen Betriebsbüro des Rheingau Musik Festivals tätig. Seit Juli 2017 hat sie die Leitung des Vorderhausbetriebs und Besucherservices an der Hamburgischen Staatsoper inne.