Cornelius Seydel und Frauke Hess

Hummel Hummel – Mors Mors: Gambe trifft Tontechnik

Für Hummel Hummel – Mors Mors baten wir Frauke Hess, Gambistin in unserer Neuproduktion ¡Gesualdo!, und Cornelius Seydel, Leiter der Tontechnik, an einen Tisch. Wir sprachen mit ihnen über Soundüberflutung, Musik auf und hinter der Bühne und den perfekten Klang.

Wann kommt der Besucher mit eurer Arbeit in Kontakt?

Frauke Hess: Mich kann man mit meiner Gambe von Beginn der Vorstellung bis zum Ende hören, aktuell in den Vorstellungen von „¡Gesualdo!“ in der opera stabile.

Cornelius Seydel: Als erstes nimmt der Besucher unmittelbar vor Vorstellungsbeginn den Handy-Hinweis im Zuschauerraum wahr, der aus unserer Abteilung kommt. Und danach alles, was bei den jeweiligen Vorstellungen von Nöten ist: unter anderem Zuspiele wie das Gewitter bei „Otello“ oder diverse Bühnenmusiken. Die ästhetische Herausforderung dabei ist, dass der Zuschauer nicht direkt merkt, dass es künstlich ist.

Was macht für euch den perfekten Klang aus?

Cornelius: Das ist sehr kontextabhängig. Musikalisch betrachtet entsteht er im Zusammenspiel von Spieler/innen, Instrument und Raum. Wenn das alles zusammen passt und jemand mit seinem Instrument oder seiner Stimme umzugehen weiß und den Raum im Kontext der Musik nutzen kann, dann entsteht für mich der perfekte Klang.

Frauke: Für mich ist Klang perfekt, wenn er alle Facetten abdecken kann. Wenn er sowohl harte als auch sehr weiche Elemente in sich hat und als Raum unendlich nach oben, aber auch unendlich nach unten reicht und verschiedene Farben in sich trägt. Ich versuche, genau diesem Ideal zu folgen, deshalb habe ich mich bei der Instrumentenwahl für die Gambe entschieden. Eine Gambe hat viele Facetten, man kann auf ihr ganz sanft spielen, aber auch laut und brutal werden. Die Natur der Gambe ist sehr obertonreich, fast etwas nasal. Das versucht man einerseits auszukosten, auf der anderen Seite aber auch ein bisschen gegen diese Natur zu arbeiten, damit sie nicht nur nasal und hell klingt.

Habt ihr einen speziellen Klingelton?

Frauke: Ich suche immer Klingeltöne aus, die möglichst dezent und musikalisch klingen, zum Beispiel ein Zirpen – momentan ist es eine Harfe. Falls es doch mal in den Proben klingelt, habe ich die Hoffnung, dass ich es vielleicht nur zuerst höre.

Cornelius: Ich weiß gar nicht, welchen Klingelton ich habe. Ich glaube, es war der erste in der Liste. Ich habe das Handy die meiste Zeit nur auf Vibrationsalarm geschaltet. Mich nervt die Vielzahl der Klingeltöne in der Öffentlichkeit total. Auch das WhatsApp-Gepfeife in der U-Bahn aus allen Himmelsrichtungen, das ist für mich –

Frauke: Lärmbelästigung?

Cornelius: …eine Kakofonie sondergleichen. Ich genieße die Ruhe. Und bin froh, wenn ich mein eigenes Telefon nicht auch noch hören muss.

Frauke: Geht mir genauso!

Alte oder Neue Musik?

Frauke: Rein vom Begriff her würde ich sagen Alte Musik. Aber für Musiker ist diese Bezeichnung problematisch – wir wollen ja die Aufhebung dieser Begriffe.

Cornelius: Schwierige Frage. Ich bin nicht limitiert auf die Zeit, in der Musik entstanden ist. Aber ich würde eher sagen Neue Musik, ich blicke gern nach vorne und staune über neue Entwicklungen. Allerdings gibt es keine Neue ohne Alte Musik – es hat jede ihre Daseinsberechtigung und es ersetzt keine die andere.

Tonaufnahme oder Livemusik?

Frauke: Das tut mir sehr leid, Cornelius, aber für mich ist es Livemusik. (lacht) Ich höre schon CDs, aber ganz andere Sparten als Klassik.

Cornelius: Das ist bei mir auch so. Ich höre zwar gerne Aufnahmen und mag auch die Ästhetik, aber es ist ein völlig anderer Klangtransport als beim Liveerlebnis. Ich mag auch die Konzertsituation lieber, wo mehr dazukommt, als nur das Hören. Der Raum ist ein ganz anderer als meiner zuhause, da bekomme ich einen anderen Eindruck des Dabeiseins.

Elbe oder Alster?

Frauke: Dringend die Elbe! In Hamburg habe ich erst in Elbnähe gewohnt und bin oft und gerne dahin spaziert und mit der Fähre übergesetzt. Das Gefühl, schnell aus der Stadt rauszukommen, fand ich immer sehr schön.

Cornelius: Ich bevorzuge auch die Elbe, es ist einfach mehr Wasser. Und die Alster ist auch nur ein aufgestautes Flüsslein, ein eher stehendes Gewässer. Ich find’s schön, wenn Wasser in Bewegung ist, das hat was von Ferne und Reisen.

Frauke Hess an Cornelius Seydel: Wann bist du während deiner Arbeit so richtig von Musikern genervt?

Cornelius: Wenn Darsteller zum ersten Mal im Probenprozess eines neuen Stückes auf die Bühne kommen und sie sehr im Fokus des Dirigenten stehen, kann ich sicher sein, dass bei mir gleich das Telefon klingelt und sie sagen: „Man kann hier das Orchester überhaupt nicht hören!“ – Das ist so der Standardspruch, der die eigene Nervosität ins Außen verlagert. Aber das ist schon okay, ich bin selbst Musiker und kann mich in die Situation hineinversetzen. Es nervt allerdings, wenn jemand versucht, mir meinen Job zu erklären, wie: „Ein Mikrofon stellt man da so nicht hin, das klingt doch gar nicht!“ – Lass mich das mal machen. (lacht) Viel funktioniert in der Tontechnik am Theater durch Routine und Erfahrung. Da gibt es keine Zeit zu experimentieren. Wenn mir jemand in bildhafter Sprache seine Klangvorstellung darlegt, kann ich sie recht schnell in technische Parameter umsetzen.

Cornelius Seydel an Frauke Hess: Was mich bei Alter Musik total fasziniert und gleichzeitig ein Riesenmysterium ist, sind die alten Stimmungen. Wie gehst du damit um, wie hast du dir da die Hörerfahrung erarbeitet?

Frauke: Eigentlich gehe ich recht pragmatisch damit um, mit dem Ideal, möglichst rein zu intonieren. Pauschal spielen wir eigentlich immer mitteltönig. Das funktioniert für uns am besten und ist meine Basis. An meinem Instrument kann ich meine Bünde je nach Stimmung verschieben, auch noch während eines Stückes und somit flexibel bleiben. In der Renaissancemusik geht man davon aus, dass es bestimmte Haupttonarten gibt. Diese stimmt man durch diese Mitteltönigkeit so rein wie möglich und verschiebt die Wolfsquinte auf die außenliegenden Tonarten. Die kommen aber eher selten vor. Wenn doch so eine Tonart erscheint, muss man sich erst überlegen: Soll sie vielleicht sogar unrein klingen? Und sonst finde ich auf der Gambe Mittel und Wege, sie rein zu stimmen.

Frauke HessFrauke Hess
Frauke Hess studierte zunächst in Hamburg Musikwissenschaft, bevor sie 1999 ihr Gambenstudium bei Sarah Cunningham und Hille Perl an der Hochschule für Künste Bremen begann. Sie ergänzte Ihr Studium durch Besuche verschiedener Meisterkurse, u.a. bei Jordi Savall, Wieland Kuijken, Paolo Pandolfo und Vittorio Ghielmi. Seit 2000 tritt sie als freischaffende Solistin auf den renommierten Festivals im In- und Ausland auf mit Gruppen wie Orlando-di-Lasso Ensemble, Musica Antiqua Köln, Movimento, Dt. Kammerphilharmonie Bremen, Balthasar-Neumann Ensemble, Cantus Cölln, Concerto Copenhagen, Freiburger Barock Consort, Dresdener Kammerchor u.a.

Sie ist Preisträgerin des 3. Internationalen Telemannwettbewerbs. 2007 beschloss Sie mit Auszeichnung ihre Ausbildung mit dem Konzertexamen an der Abteilung Alte Musik Bremen bei Hille Perl, wo sie seitdem auch als Lehrbeauftragte arbeitet. 2012 erschien ihre erste Solo-CD mit Kammermusik von D. Buxtehude, C.PH.Erlebach, A. Kühnel u.a. bei Coviello Classics.

Cornelius SeydelCornelius Seydel
Der gebürtige Hamburger nahm seinen ersten Musikunterricht im Alter von zehn Jahren und begann seine akademische Laufbahn an der Musikakademie Kassel (Schlagzeug) und parallel dazu an der Universität Kassel, wo er Elektrotechnik studierte und als Gasthörer an diversen musiktheoretischen Veranstaltungen teilnahm. An der Hochschule für Musik in Detmold folgte zunächst ein Studium der Schulmusik für Gymnasien (Sek I./II) mit Hauptfach Schlagzeug. Nach dessen erfolgreichem Abschluss nahm er das Studium im Fach Musikübertragung am Detmolder Erich-Thienhaus-Institut auf, das er im Jahr 2009 mit dem Abschluss zum Diplom-Tonmeister beschloss.

Das unmittelbar anschließende erste Engagement als Tonmeister führte ihn ans Deutsche Nationaltheater Weimar. Mit der Spielzeit 2011/12 begann er seine Tätigkeit als Tonmeister an der Hamburgischen Staatsoper, deren Tonabteilung er seit 2014 leitet.