Hummel Hummel – Mors Mors: Lucia di Lammermoor trifft Bühneninspektion

Neulich in der Stifterlounge: Sopranistin Katerina Tretyakova und Bühneninspektor Alexander Müller unterhielten sich im Doppelinterview über Lucia di Lammermoor, ihre Arbeit auf und hinter der Bühne sowie den Spagat zwischen Familie und Beruf.

Lucia di Lammermoor ist eine sehr anspruchsvolle Partie und auch die Bühnentechnik ist sehr raffiniert. Was macht den besonderen Reiz dieser Produktion für euch aus?

Katerina Tretyakova: Ich liebe es, Hauptrollen zu singen, vor allem jene die besonders facettenreich sind. Diese Wahnsinnsrollen, wie beispielsweise Lucia di Lammermoor, sind für mich sehr interessant. Sie sind sehr anspruchsvoll, insbesondere wenn man sich beim Singen noch bewegen muss. In der Inszenierung von Sandra Leupold muss ich an der schwierigsten Stelle der Arie eine Torte anschneiden, gleichzeitig muss ich auf die Glasharmonika hören, die mein Echo spielt. Das ist schon eine große Herausforderung! Aber zusammen mit so tollen Kollegen macht eine solche Partie sehr viel Spaß. Und wenn ich die Partie der Lucia in der ungekürzten Version überstehe, kann ich alles schaffen (lacht)!

Alexander Müller: Was „Lucia“ für mich besonders macht, ist das Bühnenbild. Wenn man sich die Inszenierung aus dem Zuschauerraum ansieht, hat man das Gefühl, als wäre alles einfach nur hingestellt, obwohl das Bühnenbild aus vielen verschachtelten Elementen besteht. Technisch interessant ist zum Beispiel eine Wand, die im Stück umfällt. Solche Dinge möglich zu machen – ohne jemanden zu erschlagen (lacht) –, das ist sehr spannend und macht unheimlich Spaß.

Katerina, du bist der Staatsoper als ehemaliges Studio- und Ensemblemitglied schon lange verbunden. Alex, du bist seit 2014 am Haus. Habt ihr eine Lieblingsproduktion und warum?

Katerina: Le Nozze di Figaro“ in der Inszenierung von Stefan Herheim ist eine wirklich schöne und witzige Produktion. Sie hat mir optisch wie darstellerisch gut gefallen, auch wenn sie sehr anstrengend ist. Als Susanna hat man kaum Pausen, um sich emotional auszuruhen und steht während der langen Sopran-Partie durchgehend auf der schrägen Bühne. Auch „La Bohème“ gefällt mir sehr und war immer eine gute Einstiegsproduktion für meine Bekannten, die sonst nie in die Oper gehen. Seitdem sind sie richtige Opernfans geworden, was mich sehr freut.

Alex: Ich sehe die Opern natürlich eher aus dem Blickwinkel der Technik und es gibt wirklich viele Stücke, die mich technisch faszinieren: Die Herausforderung bei „Le Nozze di Figaro“ war zum Beispiel vor allem das Heruntersegeln der Notenblätter. Eine Produktion, an die ich persönlich gern zurückdenke, ist „Luisa Miller“, bei der meine Kollegen und ich wirklich viel Spaß hatten. Das Bühnenbild bestand aus verschiedenen Elementen, die auf Wagen verschoben wurden. Aber es gefielen mir neben der Bühnentechnik auch die Musik und die Inszenierung sehr gut.

Der Muttertag ist gerade vorbei – Katerina, du bist noch eine junge Mutter; Alex, du mehrfacher Vater. Ist euer Familienleben streng von eurer Arbeit getrennt oder kommen Partner und Kinder schon mal mit zu Proben oder in die Oper?

Alex: Getrennt ist es nicht, denn nicht immer habe ich zu Hause direkt Feierabend. Das hängt mit den umfangreichen Bühnenarbeiten zusammen, zu denen es manchmal Rückfragen gibt. Aber meine beiden jüngeren Kinder waren bei einer Figaro-Probe dabei, in der wir den Fall der Notenblätter geübt haben. Daran erinnert sich mein Sohn bis heute. Die Lütten freuen sich immer, wenn sie die Oper sehen, sind aber normalerweise in den Proben nicht dabei. Die zwei Großen sind zwar gelegentlich da, haben aber weniger Interesse an Oper.

Katerina: Meine Tochter wird demnächst 9 Monate alt und ist noch zu jung, um mit in die Oper zu kommen. Aber zu Hause hört sie mich natürlich singen. Als sie noch in meinem Bauch war, habe ich mich zum Beispiel gerade auf meine Partie der Juliette vorbereitet. Mein Lebenspartner ist Dirigent und Pianist, weshalb wir eine Art Musikerfamilie sind. Unser Berufs- und Privatleben hat natürlich gewisse Berührungspunkte, was aber nicht stört, so lange man auch über andere Themen spricht.

Katerina Tretyakova als Lucia di Lammermoor

Katerina Tretyakova als Lucia di Lammermoor

Stadt- oder Landseite?

Katerina: Diese Bezeichnungen konnte ich in Hamburg früher nie auseinanderhalten. Irgendwann habe ich es mir so gemerkt, dass „die Frauen vom Lande“ kommen. Auf der Landseite sind die Damen-Garderoben. Und die Kantine ist auch näher dran… (lacht). Ich bleibe auf meiner Seite und entscheide mich deshalb für die Landseite.

Alex: Stadtseite! Alles, was an Bühnenbildelementen in die Staatsoper reinkommt und sie wieder verlässt, wird über die Stadtseite transportiert. Die Wege über die Landseite benutze ich nur sehr selten.

Elbe oder Alster?

Katerina: Alster! Ich bin in Litauen aufgewachsen, wo es sehr viele Seen gibt. Ich mag das Meer und Seen lieber als Flüsse. Außerdem gibt es an der Alster weniger Wind. Bei dem Wetter in Hamburg weiß man nie, wie man sich als Sängerin anziehen soll, um sich nicht zu erkälten.

Alex: Ich entscheide mich für die Elbe, dort gibt es den Elbstrand und elbabwärts die Nordsee – das gefällt mir sehr gut. Ich mag es, am Ufer zu sitzen und die großen Pötte zu beobachten. Das ist beeindruckend, gewaltig und trotzdem auch entspannend!

Norden oder Süden?

Alex: Norden! Ich bin hier oben geboren und fühle mich im Norden sehr wohl. Hamburg ist meine Stadt!

Katerina: Süden! Mir ist lieber zu heiß als zu kalt (lacht). Zurzeit bin ich häufiger in Barcelona. Dort gibt es Sonne, Meer, gutes Essen und offene Leute. Obwohl die Jahreszeiten in Barcelona nicht so kontrastreich sind. Ich vermisse dort den Herbst mit seinen Farben, wie es ihn hier in Hamburg gibt.

Frage von Katerina an Alex: Wie viele Leute arbeiten bei einer Vorstellung hinter der Bühne?

Alex: Insgesamt arbeiten bei „Lucia“ etwa 200 Personen hinter der Bühne. Allein die technische Mannschaft besteht nahezu aus 20 Leuten. Der normale Tag der Bühnentechniker sieht so aus, dass sie um 6.30 Uhr anfangen und bis 10 Uhr die Abendvorstellung weggebaut und die Probensituation aufgebaut haben. Ab 13 Uhr wird dann wieder abgebaut und die Abendvorstellung aufgebaut. Um 15 Uhr kommt dann der Spätdienst und macht bis zur Vorstellung da weiter, wo der Frühdienst aufgehört hat. Wenn sie fertig sind, werden spezielle Abläufe, wie z.B. der „Wandfall“ in „Lucia di Lammermoor“ geprobt.

Frage von Alex an Katerina: Würdest du deiner Tochter später dazu raten im Operngeschäft tätig zu sein?

Katerina: Ich weiß es nicht! Unser Geschäft ist so hart… Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und arbeite als Sängerin, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ich etwas anderes besser könnte. Ich habe das Glück, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber ich werde sie in allem unterstützen, was sie möchte und was ihr Spaß macht. Natürlich werde ich ihr die Musik näher bringen, weil sie in den Menschen eine Sensibilität entwickelt, die ich sehr wichtig finde. Es ist gut, wenn man anderen gegenüber sensibel und offen für die Welt ist.

Katerina Tretyakova

(c) Shirley Suarez

Die russische Sopranistin Katerina Tretyakova begeistert in zahlreichen großen Partien des Italienischen Repertoires und ist gefragter Gast an den großen Opernhäusern Europas. Engagements führten sie unter anderem an die Hamburgische Staatsoper, nach Berlin, München, Wien, Barcelona und Madrid. Auch auf dem Konzertpodium ist die Künstlerin erfolgreich. Sie arbeitete unter anderem mit Dirigenten wie Daniel Barenboim und Ivor Bolton und sang beispielsweise an der Seite von Angela Gheorghiu, Anja Harteros und Franz Grundheber. In Hamburg konnte sie sechs Jahre als Mitglied des Ensembles der Staatsoper große Erfolge feiern. Seit Sommer 2016 ist die Künstlerin freischaffend tätig.

Alexander Müller

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Alexander Müller, geboren in Flensburg, ist Leiter der Bühneninspektion an der Hamburgischen Staatsoper. Nachdem er am Theater Heilbronn eine Ausbildung zum Tischler absolvierte, arbeitete er dort als Bühnentechniker, als Seitenmeister und schließlich als Bühnenmeister und war insgesamt 20 Jahre am Haus beschäftigt. 2009 wurde er Bühnenmeister am Thalia Theater in Hamburg, bevor er im Februar 2014 an die Hamburgische Staatsoper wechselte.