Hummel Hummel – Mors Mors: Kundry trifft Produktionsassistenz
Von Rittern, der Klimperkiste und Lavendelduft: Unsere „Kundry“, die Mezzosopranistin Claudia Mahnke, hat sich mit Eike Mann, der die Produktion rund um den Regisseur Achim Freyer begleitete, über die Liebe zur Oper und das Gesamtkunstwerk „Parsifal“ unterhalten.
Wie seid ihr zum Musiktheater gekommen?
Claudia Mahnke: Ich bin eher zufällig zur Oper gekommen. Ich komme aus einem Elternhaus, in dem Gesang überhaupt keine Rolle spielte. Die Annäherung zur Musik kam durch die Schule – ein Musiklehrerehepaar hat entdeckt, dass ich singen kann. Ab der fünften Klasse hatte ich dann Gesangsunterricht, dachte aber nie, dass ich das mal zum Beruf machen würde. Die Lehrerin meinte: „Ach, versuch’s doch, du kannst doch die Stimme weiter ausbilden lassen.“ Ich habe mich dann in Dresden an der Hochschule beworben und es hat geklappt. Trotzdem dachte ich damals immer noch, dass ich mal Pädagogin oder Musiklehrerin werde. Aber durch das Studium und die ersten Erfahrungen auf der Bühne habe ich Blut geleckt und dann kam eines zum anderen.
Eike Mann: Ich kam auch im weitesten Sinne über Umwege zum Musiktheater. Ich war viel zu früh – mit etwa acht Jahren – das erste Mal in der Oper und habe dann gleich „Tannhäuser“ gesehen. Das hat mir erst mal ein paar Jahre lang den Zugang verwehrt. Ich habe aber immer Musik gemacht. Und interessanterweise war die Inszenierung von „Blaubart“ in Frankfurt, in der Claudia Mahnke die Judith gesungen hat, eine Art Erweckungserlebnis für mich. Ich war dann sehr, sehr oft in den Vorstellungen und es war tatsächlich der Motor für mich ans Theater zu gehen. Dann lag der Weg vor mir und ich habe in Leipzig Dramaturgie studiert.
Was macht für euch die Arbeit mit Achim Freyer aus?
Claudia: Für mich war die Art, wie er an ein Stück herangeht, total neu – geprägt durch diese eher statischen Bewegungen. Im Laufe der Probenphase habe ich besser verstanden, was er meint und mir hat es immer mehr Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Man spürte von Anfang an, dass es sich am Ende um ein Gesamtkunstwerk handelt. Was mich total beeindruckt, ist der Mensch Achim Freyer. Er ist so eine unglaublich nette, liebevolle, sympathische Person. Ich kann nur in den höchsten Tönen davon schwärmen, wie er mit den Menschen, mit denen er arbeitet, umgeht und aus jedem das Beste herauskitzelt. Und ich ziehe meinen Hut davor, wie fit dieser Mann ist. Davon können wir uns alle eine Scheibe abschneiden! (lacht)
Eike: Vor allem im Gegensatz zu uns… (lacht)
Claudia: Ja, manchmal ist man müde und denkt: „Der Mann arbeitet jetzt noch, wenn wir nach Hause gehen und uns ausruhen“. Das ist schon Wahnsinn – er ist ein großes Vorbild!
Eike: Da kann ich mich nur anschließen. Mich inspiriert an der Arbeit mit ihm besonders, dass erst einmal alles denkbar ist und man eigentlich jeden Gedanken, jeden Traum in Bühnensprache übersetzen kann. Es entsteht ein Fokus, mit dem man in dem Stück überhaupt nicht gerechnet hätte – immer etwas Neues und mehr, als denkbar ist.
Bei „Parsifal“ spielt das Thema Erlösung eine zentrale Rolle. Was erlöst euch nach einem langen Arbeitstag?
Eike: Für mich ist es der erste Atemzug, wenn ich aus den Proben an die frische Luft komme und das Tageslicht sehe. Das reicht eigentlich schon. Ich bekomme dann immer sofort einen Energieschub sondergleichen. Und dann geht es ab in die Klimperkiste [Anm.: Lokal in der Nähe der Oper]… (lacht)
Claudia: Stimmt! Das machen wir natürlich nicht immer, aber ab und zu ist es schön, wenn man noch ein bisschen zusammensitzt.
Ritter oder Prinz?
Claudia: Einen Ritter finde ich viel spannender als so einen langweiligen Prinzen!
Eike: Ja, Ritter zu sein, das kann man sich aussuchen. Wenn er seine Rüstung auszieht, dann ist er ein Mensch. Ein Prinz dagegen, ist in der Umgebung, in die er hineingeboren wurde, immer nur ein Prinz.
Naturalistisch oder abstrakt?
Eike: Abstrakt.
Claudia: Ja, auf alle Fälle. Naturalistisch ist viel zu langweilig – so eins zu eins…
Eike: Wobei es natürlich auch Naturalismus gibt, der eine Seele hat. Ich finde, da muss man sich eigentlich nicht entscheiden.
Lange oder kurze Haare?
Claudia: Ich habe beides – sowohl privat als auch auf der Bühne – schon gehabt. Auf der Bühne kommt es immer ganz auf die Figur an. Kundry trägt in Achim Freyers „Parsifal“-Inszenierung eine Perücke mit sehr langem Haar und auch nur so geht hier das Konzept von Kundry auf. Sie ist eine Art Medusa. Wir spielen mit der Perücke, sie kann zum Beispiel vollkommen das Gesicht verdecken oder die Kollegen können daran ziehen. Es macht großen Spaß!
Eike: Jede große Bewegung, die Claudia als Kundry macht, lässt ihre Haare hinterherflattern. Das hat einen tollen Effekt! Was meine Haare betrifft: Im Moment trage ich sie lang und sie werden immer länger. Ich habe mich noch nicht entschieden, wie lang sie werden sollen (lacht).
Frage von Claudia an Eike: Hat dich die Arbeit an „Parsifal“ weitergebracht, ob du weiter in Richtung Regie oder Dramaturgie gehen möchtest? Du hast mir erzählt, dass Achim Freyer dich eher in der „Regieschiene“ sieht.
Eike: In Hamburg habe ich jetzt doch relativ viel Dramaturgie gemacht. Aber tatsächlich ja, ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, Regisseur zu sein. Am Anfang hatte das für mich immer den Beigeschmack, Achims Idee zu sein, aber inzwischen ist es auch meine geworden.
Frage von Eike an Claudia: Claudia, wenn du dir ein Bündel Kräuter vorstellen könntest, wonach würde das duften?
Claudia Mahnke: Nach Lavendel! Er duftet so angenehm und ist beruhigend. Und die Farbe liebe ich auch.
Claudia Mahnke
Die Mezzosopranistin Claudia Mahnke erhielt ihre Gesangsausbildung an der Hochschule für Musik in Dresden. Während ihrer Ausbildung debütierte sie an den Städtischen Theatern Chemnitz als Hänsel und wurde daraufhin 1992 ins feste Ensemble aufgenommen. Von 1996 bis 2006 war die Sängerin Ensemblemitglied der Staatsoper Stuttgart, seit der Spielzeit 2006/07 ist sie im Ensemble der Oper Frankfurt. Neben ihren Aufgaben im Bühnenbereich übt Claudia Mahnke auch eine intensive Konzerttätigkeit aus. Im August 2006 wurde sie zudem mit dem Titel Kammersängerin der Staatsoper Stuttgart geehrt. Neben ihren festen Engagements zeigt Claudia Mahnke eine umfangreiche Gastiertätigkeit und ist auf den großen internationalen Opernbühnen zu erleben, darunter an der Staatsoper Unter den Linden, der Komischen Oper Berlin, der San Francisco Opera, der Opera National de Lyon, der Bayerischen Staatsoper in München, der Semperoper in Dresden sowie den Bayreuther Festspielen oder der Ruhrtriennale.
Eike Mann
Eike Mann wurde in Frankfurt/Main geboren. Seit 2014 studiert er Dramaturgie an der HMT Leipzig. Von 2013 bis 2016 hospitierte und assistierte er am Theater der jungen Welt Leipzig sowie an der Oper Leipzig, u.a. bei Rosamund Gilmores „Ring des Nibelungen“. Er war beteiligt an der Koproduktion der Oper Leipzig mit den BF Medien im Rahmen der „Frühstücke“ für Aron Stiels „Das Liebesverbot“ in Bayreuth und dessen Realisation an der Oper Leipzig. 2016 war er Produktionsassistent für „Jungsrhythmen“ im Neuen Schauspiel Leipzig und dramaturgischer Mitarbeiter bei „Weiße Rose“ am Theater Augsburg.
An den Cammerspielen Leipzig gestaltete er von 2015 bis 2017 die Bühnenmusik für verschiedene Produktionen. Hier inszenierte er im März 2017 eine Bühnenfassung von „Unter dem Milchwald“ von Dylan Thomas. Seit 2017 lernt Eike Mann bei Achim Freyer. An der Hamburgischen Staatsoper war er Mitarbeiter bei seiner „Parsifal“-Inszenierung. Im September 2017 wird er die szenische Uraufführung von „The Mark on the Wall“ von Stepha Schweiger im Ackerstadtpalast Berlin dramaturgisch betreuen.