Hummel Hummel – Mors Mors: Odysseus trifft Dramaturgieassistenz
Unser ehemaliges Ensemblemitglied Kurt Streit stand weltweit bereits in 23 verschiedenen Inszenierungen der „Zauberflöte“ auf der Bühne. Bei uns ist er nun in der Titelpartie von Monteverdis „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ zu hören. Wir haben ihn mit unserer Dramaturgieassistentin Daniela Becker an einen Tisch gebeten und uns mit ihnen über ihre Anfänge an der Staatsoper, Heimatgefühle und die Inszenierung von Willy Decker unterhalten.
Wann habt ihr das erste Mal die Hamburgische Staatsoper betreten?
Kurt Streit: Den ersten Schritt in die Staatsoper machte ich für ein Vorsingen. Das war im September 1986 vor Rolf Liebermann – Elisabeth Schwarzkopf war auch dabei. Danach wurde ich hier für das Ensemble verpflichtet.
Daniela Becker: Bei mir war das am 1. November 2005. An diesem Tag habe ich ein dreimonatiges Praktikum in der Dramaturgie begonnen, nachdem ich kurz zuvor nach Hamburg gezogen bin.
Wie interpretiert Willy Decker das Epos des Ulisse?
Kurt: Für mich gibt es zwei Geschichten von „Ulisse“- die eine ist die von Homer und die andere ist das, was wir in dieser Inszenierung daraus machen. Willy Decker macht es uns leicht: Er sagt, es sei gut, wenn wir die Vorgeschichte von Ulisse – also seine Odyssee – kennen. Wir haben allerdings eine kürzere und schlichtere Geschichte zu erzählen: Ulisse kehrt nach 20 Jahren heim und sieht seine Frau und seinen Sohn wieder. Menschen, die einander lieben und die sich seit langer Zeit nicht gesehen haben. Das ist es, was wir spielen. Bei uns ist die Geschichte ganz schlicht und simpel, fast ein bisschen „Zen“: Man tut sehr wenig und dann ist dieses „sehr wenig“ sehr kraftvoll.
Daniela: Ich habe die Produktion noch nicht ganz gesehen, war aber in den Proben wieder fasziniert von Willy Deckers unverwechselbarer Regie-Handschrift. Er hat ja für Hamburg bereits „Salome“, „Pelléas et Mélisande“, „Katja Kabanova“ und „Pique Dame“ erarbeitet. Seine Inszenierungen zeichnen sich alle durch eine starke Personenführung und den Verzicht auf Effekthaschereien aus – da bleibt viel Raum für die eigene Fantasie.
Stichwort Heimkehr: Wo fühlt ihr euch Zuhause?
Daniela: Ich bin in Madrid geboren, dort und in Süddeutschland aufgewachsen, war dann in Rostock, habe zwei Jahre in Alicante studiert, bin jetzt seit 12 Jahren in Hamburg und muss sagen, ich fühle mich überall zu Hause.
Kurt: Für mich ist es so ähnlich wie für Ulisse. Ich wohne jetzt in meinem fünften Land: Geboren wurde ich in Japan, wo ich drei Jahre zu Hause war, dann lebte ich in den Staaten, dann hier in Hamburg und in Österreich – für 17 Jahre! Jetzt wohne ich in Halifax, Kanada und fühle mich dort sehr zu Hause.
Mozart oder Monteverdi?
Kurt: Das ist schwer, aber ich entscheide mich für Mozart, da ich in 23 Inszenierungen von „Der Zauberflöte“ und über 200 Vorstellungen gesungen habe.
Daniela: Verdi wäre mir am liebsten! (lacht) Ich würde aber auch Mozart wählen. Mir fehlt manchmal die Ruhe, eine tiefe Gelassenheit, die man braucht, um die Musik Monteverdis und seiner Zeitgenossen auf sich wirken lassen zu können.
Über Umwege oder lieber direkt ans Ziel?
Daniela: „Der Weg ist das Ziel.“ Landstraßen sind mir viel lieber als Autobahnen.
Kurt: Es kommt darauf an: Manchmal möchte man schnell irgendwo hinkommen und manchmal ist, wie du sagst, der Weg das Ziel. Es kommt darauf an, wie viel Zeit man hat. Kanada beispielsweise ist ein sehr großes Land. Wenn man von einem Ende zum anderen kommen möchte – sagen wir von Halifax nach Vancouver – sollte man auf jeden Fall das Flugzeug nehmen. Selbst auf der Autobahn würde das über eine Woche dauern.
Burger oder Käsespätzle?
Daniela: Ich esse beides gerne. Kommt darauf an, was ich am Abend vorher gemacht habe. Nach einer Feier muss es auf jeden Fall ein Burger sein.
Kurt: Spätzle sind eine Art Pasta, oder? Ich esse nämlich kaum Pasta. Darum entscheide ich mich lieber für einen Burger, den würde ich allerdings ohne Brot bestellen.
Frage von Kurt an Daniela: Was muss man studieren, um deinen Job machen zu können?
Daniela: Geisteswissenschaften im weitesten Sinn. Ich habe Musikwissenschaft und Romanistik studiert. Mit Italienischkenntnissen und einem Studium der Musikwissenschaften gehen viele Dramaturgen an die Opernhäuser. Es gibt aber auch Kollegen, die aus einer gänzlich unmusikalischen Ecke kommen – Philosophie, Geschichte, Germanistik oder Kunstwissenschaften studiert haben. Ein Gefühl für Sprache ist wichtig – und zu wissen, wo man nachschlagen kann …
Frage von Daniela an Kurt: Ich bin hier auch für das Archiv zuständig und habe ein bisschen in den 80er-Jahren gestöbert. Kannst Du Dich noch an Deine ersten Auftritte erinnern?
Kurt: Ja, auf jeden Fall! Meine erste Vorstellung hier im Großen Haus war „Die Entführung aus dem Serail“, zu den ersten Neuproduktionen gehörten „Fidelio“ und „Don Pasquale“. In Achim Freyers „Zauberflöte“ stand ich hier auch oft auf der Bühne. Ich habe wirklich sehr gute – und sehr alte – Erinnerungen an meine Zeit in Hamburg.
Kurt Streit
Kurt Streit ist als Mozart-Spezialist bekannt und konnte sein Repertoire in den letzten Jahren bei zahlreichen Produktionen erweitern. Es beinhaltet Werke von Komponisten wie Berg (Lulu), Britten (Tod in Venedig), Pfitzner (Palestrina), Janacek (Katja Kabanowa, Jenufa, From the House of the Dead), Wagner (Erik in „Der Fliegende Holländer”, Loge in „Das Rheingold”), Hindemith (Mathis der Maler), Berlioz (Les Troyens, La Damnation), Bizet (Carmen), Weber (Euryanthe) und Beethoven (Fidelio), außerdem Händel (Semele, Tamerlano, Jephtha, Theodora, Rodelinda, Partenope) und Monteverdi (Ulysses, Die Krönung der Poppea).
Als einer der weltweit besten Mozart-Interpreten war er an 23 verschiedenen Inszenierungen von „Die Zauberflöte“ auf der ganzen Welt und acht verschiedenen Inszenierungen von „Idomeneo“ beteiligt. Er war und ist zu Gast unter anderem an der Metropolitan Opera in New York, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House, Covent Garden in London, La Scala in Milano, der Bastille und der Grand Opera in Paris, am Teatro Real und dem Zarzuela in Madrid sowie in San Francisco, Tokio, Aix-en-Provence, Chicago, München, Berlin, Rom und Salzburg.
Daniela Becker
Daniela Becker wuchs in Madrid und Schwäbisch Hall auf. Nach einem Jungstudium an der Musikhochschule Stuttgart studierte sie an der Hochschule für Musik in Rostock im Hauptfach Violoncello. Daran schloss sich ein Studium der Musikwissenschaft und Romanistik an, das sie mit dem Magister abschloss. Ihre erste Anstellung erhielt sie als Dramaturgin beim Musikfest der Bachakademie Stuttgart. Für die Staatsoper Hamburg war sie zunächst als freie Mitarbeiterin für Übertexte, Videoinspizienz und Hausführungen tätig. Nach Stationen in der Studienleitung und als Assistentin in der Operndirektion arbeitet sie seit 2010 in der Abteilung Dramaturgie.
1 Kommentar
Wieder spannend, ihr Lieben!!
Grüße von
Anke
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