Auf einen Schnack mit: Franz Grundheber
An den großen Häusern und Festivals der Welt gastiert er. Viele Preise und Ehrungen begleiten seinen künstlerischen Weg. Mit Erlebnissen und Erinnerungen könnte er Bücher füllen: Seit 50 Jahren ist Kammersänger Franz Grundheber der Hamburgischen Staatsoper verbunden. In seiner „Jubiläumsspielzeit“ 2016/17 gastiert er als Sprecher in der „Zauberflöte“ und als Besenbinder Peter in „Hänsel und Gretel“.
Vor 50 Jahren verpflichtete der Intendant Rolf Liebermann Sie in das Ensemble der Staatsoper. Der 13. Oktober 1966 markiert Ihr offizielles Eintrittsdatum. Erinnern Sie sich noch an dieses Datum und an die damit verbundene Rolle?
Franz Grundheber: Ich erinnere mich vor allem an das Datum des 13. Oktober. Da fand um 13.00 Uhr mein Vorsingen auf der Hauptbühne statt, um das ich wochenlang gekämpft hatte. Rolf Liebermann kam hinterher auf die Bühne und meinte: „Ich kann Ihnen leider keinen Einjahresvertrag anbieten.“ – tiefste Enttäuschung bei mir. Nach einer kleinen Pause sagte er: „Aber einen Zweijahresvertrag!“ – größtes je erlebtes Glücksgefühl meinerseits, und das etwa 5 Sekunden nach der großen Verzweiflung. Meine erste Rolle war die Partie von einem der flandrischen Deputierten in Giuseppe Verdis Don Carlo. Rollen wie diese haben wir Ensemblesänger damals alle ganz selbstverständlich gesungen. Die zweite Aufgabe war der Luftschutzwart in Jakubowsky und der Oberst, eine kleine Sprechrolle. Ich musste „In Zimmer 37 brennt das Licht!“ rufen und dann in den Keller stürzen. Ich erinnere mich, wie die Sängerin Maria von Ilosvay mich lobte und sagte: „Sie sind sehr präsent!“
Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ begleitet Sie schon während Ihrer gesamten Laufbahn. Im Dezember kehrten Sie für die Neuproduktion als Sprecher zurück. Und es ist nicht die einzige Rolle, die Sie in dieser Oper verkörpert haben, oder?
Franz: Meine erste Rolle in der Zauberflöte war der Zweite Priester: (singt) „Bewahret euch vor Weibertücken …“ Als Zweites kam in der darauffolgenden Saison in einer Neuinszenierung von Peter Ustinov und unter dem Dirigat von Georg Solti die Partie des Monostatos, den ursprünglich der Tenor Erwin Wohlfahrt singen sollte, der aber todkrank im Krankenhaus lag. Als ich ihn besuchte, sagte er, „Ich habe mit Liebermann gesprochen, du machst den Monostatos.“ „Aber das ist eine Tenorpartie“, gab ich zu bedenken. „Das ist nicht hoch, das kannst du machen.“ So wurde Monostatos zu meiner zweiten Rolle in der Zauberflöte. Und diese Rolle verfolgte mich dann, und zwar zu einer Zeit, als ich bereits Jago in Wien sang. Es erreichte mich ein Angebot von Rolf Liebermann, der inzwischen am Pariser Palais Garnier Intendant war. Ich lehnte das Angebot dann aber ab. Zwar könne ich die Rolle noch singen, wolle es aber nicht mehr. Daraufhin rief mich Liebermann persönlich an und fragte: „Wie viel Geld bekommen Sie denn in Wien für Ihren Jago?“ Ich verriet ihm meine Gage. Er sagte: „Dann packe ich Ihnen noch Tausend drauf. Es sind dreizehn Vorstellungen.“ Der Dirigent Horst Stein verstärkte zunächst meine Bedenken: „Nimmst du an, wirst du nie mehr das Erste Baritonfach in Paris singen!“ Ich erwiderte: „Wer sagt denn, dass ich das Erste Baritonfach überhaupt in Paris singen werde?“ und schloss den Vertrag über die Zauberflöten-Vorstellungen ab.
In Humperdincks „Hänsel und Gretel“ sind Sie zu Weihnachten wieder als Besenbinder Peter zu erleben. Wahrscheinlich ein Fall für das Guinnessbuch der Rekorde, denn Sie waren in dieser Rolle schon bei der Premiere im Jahr 1972 dabei. Erinnern Sie sich noch an die ersten Aufführungen?
Franz: Der Besenbinder ist eine ideale Rolle für einen jungen Bariton, der sich in der Entwicklung zum schweren Baritonfach befindet. Ich erinnere mich, dass Rolf Liebermann sich für die Neuproduktion wünschte, die Hexe möge nicht im Ofen verbrannt werden, da er Schwierigkeiten damit hatte, 25 Jahre nach dem Krieg jemand in einem Ofen verbrennen zu lassen. Und so setzte man auf den Filmregisseur Peter Beauvais, der das Märchen der Gebrüder Grimm in seiner Deutung sicherlich entschärfen würde. Letztendlich sieht diese Szene aber genau so aus wie in anderen Hänsel-und Gretel-Aufführungen. Die einzige Ausnahme blieb, dass die Hexe zum ersten Applaus direkt aus dem Ofen steigt und fröhlich ins Publikum winkt, um auch den Kindern klarzumachen, hier handelt es sich um ein Spiel.
Franz Grundheber
Franz Grundheber wurde in Trier geboren. Nach dem Abitur und drei Jahren als Offizier auf Zeit bei der Luftwaffe studierte er mit einem Stipendium an der Indiana University in Bloomington/USA Gesang bei Margaret Harshaw. 1966 engagierte ihn Rolf Liebermann an die Hamburgische Staatsoper, der er bis heute in einem permanenten Gastvertrag verbunden blieb. Er sang hier mehr als 2000 Vorstel-lungen; in den letzten Spielzeiten u.a. Amonasro (Aida), Simone Boccanegra und Peter Besenbinder (Hänsel und Gretel), letzteren seit der Premiere 1972 ohne Unterbrechung. Das gesamte wesentliche deutsche, französische und italienische Baritonfach sang er an allen grossen internationalen Bühnen; zum Beispiel Rigoletto als erster Deutscher an der Metropolitan Opera in New York in drei aufeinander folgenden Spielzeiten. Dazu brillierte er als Wozzeck nicht nur an der Met, sondern auch in elf weiteren Inszenierungen u.a. mit Abbado, Barenboim und zuletzt mit Patrice Chéreau als Regisseur. Barak, Mandryka, Jupiter, Holländer, Amfortas, Jago und Simone Boccanegra sang er in Neuproduktionen in München, Hamburg, London, Frankfurt und Santiago de Chile, wo er den Kritiker Preis des Jahres erhielt.
Franz Grundheber ist Kammersänger und Ehrenmitglied der Wiener und Hamburger Staatsoper.
Annedore Cordes (Interview-Auszug aus dem journal Nr. 2 der Hamburgischen Staatsoper)
1 Kommentar
Herzlichen Glückwunsch Franz Grundheber zum Geburtstag. Die Schwester
von Franz Grundheber war in Immerath Lehrerin und ich würde zu gerne
mal wissen, ob es sie noch gibt und wo sie wohnt. Kenne sie persönlich.
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