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Interview mit Samuel Penderbayne

Die Jugendoper Fucking Åmål – Unser kleines Scheißkaff von Samuel Penderbayne, nach dem gleichnamigen Film von Lukas Moodysson, feiert am 22. Januar 2022 Premiere. Im Gespräch mit Samuel Penderbayne über die Entstehungsgeschichte der Oper und die Zusammenarbeit mit The Young ClassX.

Sam, du machst als Komponist im Vorfeld sechs Chorproben mit den The Young ClassX. Es ist ungewöhnlich, dass derjenige, der die Musik schreibt, auch selbst mit den Ausführenden probt.

In der Klassik ist das ungewöhnlich, ja. Das sollte es aber nicht sein. In vielen anderen Bereichen sind die Urheber beim Probenprozess dabei, weil das große Vorteile für alle bedeutet. Zum Beispiel ändere ich im Verlauf der Proben einige Sachen, wenn sich das als nötig herausstellen sollte oder es anders eben besser klingt. Die Musik gewinnt so an Kraft und Präzision. Andererseits kann ich den jungen Sänger*innen direkt mitteilen, was die Gedanken hinter der Musik sind und worauf es musikalisch hinaus soll. Ich habe bemerkt, dass das motiviert und für sie einen Gewinn darstellt.

Wie alt sind die Sängerinnen und Sänger?

Ich muss hier schätzen, weil ich es nicht weiß, und zwar zwischen 16 und 20. Wir arbeiten ja mit dem Solistenensemble zusammen, das ist sozusagen die „Kerntruppe“. Sie treten nicht ausschließlich als Solist*innen auf, aber Einzelne übernehmen aus dem Chor heraus in ihren Konzerten auch solistische Aufgaben.

Wenn die Chormitglieder nach dem Abitur ihre Ausbildung fortsetzen, verlassen sie dann auch den Chor?

Das war ja das Problem nach der langen Zeit der Corona-Lockdowns. Viele waren inzwischen weg, und der Nachwuchs war noch nicht da, weil sich ja während der Corona-Zeit keiner für einen Chor anmeldet. Aber es ist mit viel Anstrengung und Arbeit gelungen, gut zwanzig Sänger*innen für das Stück zu gewinnen, sechszehn Mädchen und vier Jungs.

Die Musiksprache steht ja mit einem Bein im popkulturellen Bereich, andererseits hat sie den Anspruch, kompositorisch anspruchsvoll zu sein.

Es war eine große Verantwortung, ein Stück für Jugendliche zu schreiben, die noch nie in der Oper oder im Musical waren. Die Welten der Film- und Popmusik bieten Anknüpfungspunkte, wo man die Jugendlichen abholen kann. Aber sie dürfen dann gerne mit der schwierigsten Musik konfrontiert werden, die sie bislang zu hören bekamen. Diese Aufgabe spielte mir aber in die Hände, weil die Verbindung der klassischen Tradition mit modernen Musikgenres ja schließlich meine Raison d ̓Être als Komponist ist. In jedem Stück von mir findet eine Hybridisierung popkultureller und klassisch-zeitgenössischer Elemente statt. Trotzdem sind im Kompositionsprozess immer die gleichen zwei Fragen aufgetaucht: Bin ich zu verfremdend für die Jugendlichen? Und bin ich zu poppig für die Staatsoper? Wo das Ergebnis auf diesem Spektrum landet, kann ich nicht genau sagen. Ein paar Stellen könnten problemlos auf dem Broadway vorkommen und ein paar andere, bei denen ich eher mit zeitgenössischen Kompositionstechniken arbeite, sind richtig schräg geworden. In der ersten Probe hat ein Jugendlicher über eine bestimmte Stelle in den Raum laut gefragt: „Was soll der Scheiß?“ Derselbe hat aber genauso laut eine andere Stelle als „richtig geil“ bezeichnet. Zusammen ist das so etwas wie das größte Kompliment, das ich mir für das Stück hätte vorstellen können.

Sprechen wir übers Orchester und die Klangfarben, die darin vorkommen. Woran hast du dich da orientiert?

In dem Jubiläumskonzert von The Young ClassX, in dem das zehnjährige Bestehen gefeiert wurde, hat das Felix Mendelssohn Jugendorchester Schostakowitsch richtig gerockt. Sie haben die Musik verstanden, das hat man gehört. Sie haben auch den Groove richtig erwischt, nämlich sowohl mit schnellem Tempo als auch mit dem Gefühl, alle Zeit der Welt dafür zu haben.

Würdest du so weit gehen zu sagen, das kann ein Weg des zukünftigen Komponierens für die Oper sein?

Definitiv! Wir befinden uns in einer postmodernen und digitalen Welt, wo es viele verschiedene Strömungen gibt und somit auch die Möglichkeit, verschiedenste Dinge in Beziehung zu setzen. Es gibt nicht mehr den einzigen wahren Weg in die Zukunft hinein, aber ich denke, dass der Einfluss der Popkultur in die zeitgenössische Klassik hinein ästhetisch sowie kulturell sehr ertragreich sein könnte. Ich komme aus dem angloamerikanischen Kulturraum und dort sieht es ganz anders als im deutschsprachigen aus. Die Generation von musikinteressierten jungen Leuten, die heute groß wird, nutzt die digitalen Techniken, wo man sich mit einem Klick von Stockhausen über Daft Punk zu Tschaikowsky schaltet. Ich kenne Komponistenkolleg*innen, die auf dem Weg zu den Donaueschinger Musiktagen im Auto Hiphop hören. Es macht heute also weniger Sinn denn je, eine Mauer zwischen E- und U-Musik zu setzen.


Der australische Komponist und Künstler Samuel Penderbayne lebt und arbeitet in Hamburg. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf der Anreicherung klassischer Musiktraditionen durch nicht-klassische Musikstile, wie elektronischer, Welt-, Rock- und Jazzmusik. Er bringt dies vor allem als Komponist und Musikwissenschaftler zum Ausdruck. In seinen Projekten spielen oftmals Ästhetik, Formen, Rhytmen und Instrumente eine wichtige Rolle, welche vorrangig nicht-klassischen Genres zuzuordnen sind.