Narea Son

Ensemble-Portrait: Narea Son

Die Sopranistin Narea Son ist seit letzter Spielzeit fest im Ensemble der Hamburgischen Staatsoper und ab dem 13. September als Infantin Isabella im „Märchen im Grand-Hotel“ zu erleben

Von Elisabeth Richter

Manchmal muss man einfach Glück haben und die richtigen Leute treffen. Oft passiert da etwas einfach so. Oder doch nicht? „In dem Augenblick, in dem man sich / endgültig einer Aufgabe / verschreibt, bewegt sich die / Vorsehung auch“, heißt es in einem Goethe zugeschriebenen Gedicht. So ähnlich war es bei Narea Son. Irgendwie wusste sie immer, dass sie Sängerin werden wollte. Während sie zwischen ihrem 15. und 18. Lebensjahr die Arts High School in Seoul – eine Art Musikgymnasium für Hochbegabte – besuchte und das Hauptfach Gesang belegte, hatte sie Unterricht bei der Sopranistin Byunglyul Lee. Ein Glücksfall! Denn Byunglyul Lee wiederum hatte viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet. Bei ihr bekam Narea Son nicht nur fantastischen Gesangsunterricht und eine ganz natürliche Heranführung an zeitgenössische Musik, sondern sie entdeckte auch ihre Leidenschaft für das deutsche Lied. „Es war Pflicht, in einem Semester Schubert-Lieder zu singen, in einem anderen Brahms oder im nächsten Wolf.“ Byunglyul Lee legte Narea Son auch ans Herz nach Deutschland zu gehen. „Sie meinte: wenn du Lied singen willst, musst du zuerst die Kultur und die Sprache verstehen. Es ist eine Sache, alles wie ein Papagei nachzuplappern und eine andere, im Land selbst zu leben. Als ich nach Deutschland kam, habe ich versucht, in diese Gesellschaft reinzukommen.“Leicht war das nicht, verrät Narea Son, auch wenn sie sich mittlerweile pudelwohl in Deutschland fühlt. Als sie 2013 in Hamburg zu studieren begann, jobbte sie in ihrer freien Zeit in einem koreanischen Restaurant. „Ich sehe oft, dass die Leute ‚falsch‘ essen. Es muss die richtige Reihenfolge sein, man sollte wissen, welche Sauce wozu gehört. Als Kellnerin wollte ich das erklären. So habe ich mein Deutsch sehr verbessert.“

Narea Son in „Moskau, Tscherjomuschki“ (Foto: Jörg Landsberg)

Aus Korea hatte Narea Son einen Bachelor an der Seoul National University mitgebracht, in Hamburg kamen dann ein Masterstudiengang und das Konzertexamen dazu. Nach zwei Jahren im Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper und einem Jahr als Freelancer ist sie nun fest im Ensemble an der Dammtorstraße. Zerlina, Oberto, Adele, Ännchen sind Partien, die sie hier singt. Ihr musikalisches Talent kommt vielleicht vom Vater. „Er spielt Gitarre und sehr gut Klavier. Mit 20 war er Mitglied in einer Band. Ich habe keinen klassischen Background durch meine Eltern. Aber sie singen und spielen gern, hören gerne zu. Das hat mich geprägt.“ Die ersten musikalischen Schritte ging Narea Son mit vier Jahren. Auf dem Klavier, dem bis heute ihre Leidenschaft gilt. „Wenn ich nicht Sängerin wäre, wäre ich Pianistin. Vielleicht kommt daher auch meine Begeisterung für das Lied, für die Kombination Klavier und Stimme?“ Ersten Gesangsunterricht bekam Narea Son in dem Kinderchor „World Vision Children’s Choir“, der schon damals ein weltweites Renommé hatte. Ende der 1950er Jahre für Kriegswaisen gegründet, entwickelte er sich schnell zu einem professionellen Ensemble. Narea Son sang gelegentlich Soli und hatte mit dem Chor rund 50 Auftritte jährlich. „Unser Chorsystem ist von den berühmten Knabenchören in Europa beeinflusst. Nach drei Jahren Vorbereitungsklasse mit eigenen Konzerten wird entschieden, ob man in die Hauptklasse kann. Der Unterschied ist, dass man nicht nur singt. Es wird auch getanzt, klassisch oder traditionell koreanisch. Das ist eine sehr umfassende Ausbildung, die einem später als Opernsängerin nützt.“

Narea Son in „Schneewittchen“ (Foto: Brinkhoff-Mögenburg)

Da wurde also eine Spur gelegt. Diese Vielseitigkeit ist es, die Narea Son an der Oper so begeistert: „Es ist eine ganzheitliche Kunst. Ich produziere Singen, Spielen und Beweglichkeit. Auch was die Kolleg*innen von den anderen Abteilungen machen, ist spannend. Licht, Bühnenbild, die Maskenabteilung, die Ankleider*innen, die Inszenierung, die Gesangs-Kolleg*innen, das alles fasziniert mich einfach.“Befragt nach Lieblingskomponist*innen zögert Narea Son nicht lang: Richard Strauss. „Man langweilt sich nie! Es gibt so viele Farben, so viele Mischungen von Instrumenten, und stimmlich fühle ich mich sehr wohl bei ihm. Überhaupt beim deutschen spätromantischen Repertoire.“ Aber nicht bei Richard Wagner. „Ich bin kein Heldinnen-Typ. Eher wende ich mich Mozart zu, ein Traum-Komponist. Er ist wie Heilung für die Stimme.“ Zerlina, Susanna oder Despina, das sind die Mozart-Charaktere, die Narea Son liegen. Sie hat den nötigen Charme und die Leichtigkeit in der Stimme und in ihrer Ausstrahlung. Eine Traumrolle gibt es aber für die Zukunft: Konstanze in der Entführung aus dem Serail: „Man braucht viel mehr Ausdauer als etwa bei der Königin der Nacht. Sie hat ja nur zwei große Arien. Bei Konstanze muss man mehr spielen, es liegt hoch, es gibt wahnsinnige Intervalle. Die Partie kann ich wohl erst in zehn Jahren singen.“ Wichtig sei daher, sagt Narea Son, auf die Stimme gut aufzupassen, sie gegen Kälte, Hitze und Allergien zu schützen, nicht zu scharf zu essen, genug zu schlafen. „Das macht den Alltag schwierig und stressig. Sonst ist es einfach traumhaft, Sängerin zu sein. Man macht, was man sehr gerne macht und verdient Geld, es gibt keinen besseren Job.“


Der Text ist erschienen im Journal #1 der Spielzeit 2020/21

Elisabeth Richter studierte Musiktheorie, Komposition, Musikwissenschaft und Schulmusik. Langjährige Autorentätigkeit für Funk und Print (u. a. Deutschlandfunk, WDR, NDR, Neue Zürcher Zeitung, Fono Forum).