Norma: In Liebe entbrannt, dem Tod geweiht

Vincenzo Bellinis Norma als musikalisches Seelengemälde einer unantastbaren Ikone steht noch bis zum 6. Mai 2023 auf der Bühne. In der kommenden Spielzeit kehrt das Stück ins Große Haus zurück, der Vorverkauf beginnt am 15. Mai.

Ein Beitrag von Janina Zell aus dem journal Nr. 5 der Spielzeit 2022|23 über Vincenzo Bellinis dramatisches Meisterwerk Norma.

Die Interpretation der Titelpartie gilt szenisch wie stimmlich geradezu als Martyrium für Sopranistinnen. Maria Callas soll am Ende ihrer 92. und letzten Norma-Aufführung gar vor Erschöpfung ohnmächtig zusammengebrochen sein.
Was Bellini und sein Librettist Felice Romani von ihrer Protagonistin fordern, ist die Darstellung eines geistigen Oberhauptes, das die gallische Gemeinschaft eint und dem römischen Feind trotzt. Jungfräulich muss sie sein, makellos, eine Ikone. Regisseurin Yona Kim sieht ihre Macht in ihrer vermeintlichen Befreiung von „irdischen Verhältnissen wie Lieben, Ehen, Kindern oder Familienleben“. Norma aber liebt den Feind, den Anführer der römischen Besatzungsmacht – so lange und verräterisch, dass sie bereits zwei Kinder von ihm zur Welt brachte und im Verborgenen großzieht. Als Pollione eine neue Liebe findet und das Land verlassen will, gibt es für Norma keinen Ausweg mehr. Ebenso wie ihre Leidensgenossinnen der romantischen Oper wird sie an ihrer männlich geprägten Lebenswelt zugrunde gehen. So lassen ihre Fehltritte am Ende nicht die Welt in Flammen stehen, sondern die Ikone in Selbstopferung: „Ich bin die Schuldige“, tönt es aus ihrem Mund „schuldig, über jede menschliche Vorstellungskraft hinaus.“


Musikalisch übersetzt Bellini die emotionalen Grenzgänge Normas in das damals typische soprano sfogato-Stimmfach, in dem ein raumgreifender Ambitus maximale Höhen und Tiefen in extremer Beweglichkeit und zugleich berstender Dramatik verlangt. Musikkritiker und Stimmkenner Jürgen Kesting beschreibt die Partie als eine Verbindung aus fließenden Kantilenen und „Höhenflügen des verzierten Gesangs mit leidenschaftlichen, dramatischen Akzenten einer Heroine nach Art der Medea.“


An der Dammtorstraße ist es Barno Ismatullaeva, die als Heroine auf der Bühne sterben wird. Ihr Deutschland-Debüt gab die Sopranistin 2019 als Cio-Cio San in Madama Butterfly am Staatstheater Nürnberg. Eine Partie, für die sie letzten Sommer auf der Bregenzer Seebühne gefeiert wurde: „Die usbekische Sopranistin füllt die riesige Bühne nicht nur mit ihrer Stimme, sondern auch mit ihrer Energie bis in die hintersten Ränge der 7000 Plätze fassenden Tribüne“, „Barno Ismatullaeva ist eine Sensation“, feierte die internationale Presse ihre Gesangskunst, die nun auch in Hamburg zu erleben ist.