O tu Palermo, terra adorata (Tag 6 der Sizilienreise)
Die Worte gehören zu der Arie des Procida aus Verdis „I vespri siciliani“. Oh du Palermo, geliebtes Land – im Lauf der Geschichte Stadt der Phönizier, Karthager, Römer, Araber, Normannen, Staufer, Anjou, Savoyer, Bourbonen und in jüngerer Zeit auch der Mafia…
Den ganzen Tag wandelt unsere Reisegruppe auf den Spuren der Normannen durch die Stadt. Im 2. Weltkrieg schwer beschädigt, blieb die Altstadt Palermos bis in die 1990er Jahre verwahrlost, die Narben sind noch immer überall zu sehen.
Von der Oper magisch angezogen, kehren wir zum Teatro Massimo zurück und beginnen dort unseren Stadtrundgang, zunächst in das Nationalmuseum, um dort das zu sehen, worüber wir vorgestern in Selinunt gesprochen haben: Teile der dorischen Tempelfriese. Im Anschluss geht es über die Via Maqueda quer durch die Altstadt zurück zu den Nomannen. Auf der Piazza Bellini befinden sich zwei normannische Kirchen, von denen insbesondere die Matorana oder Santa Maria dell’Ammiraglio, die von dem Admiral der Flotte von König Roger dem II. erbaut wurde: Georg von Antiochien, einem Syrer. Außer dem prächtigen Goldmosaik-Inneren der Kirche beeindruckt die Tatsache, dass hier Inschriften in lateinischer, griechischer und arabischer Sprache zu finden sind, was uns verstehen lässt, wie diese drei Kulturen in Palermo aufeinandertrafen und miteinander existierten.
Auf der Piazza Bellini befindet sich auch etwas, das unser Reiseleiter Richard Eckstein als Mentekel bezeichnet: Das verlassene, geschlossene Teatro Bellini di Palermo. 1742 erbaut, beherbergt es heute ein Café und wird im Inneren teilweise zu Wohnungen umgebaut. Ein trauriger Anblick für Theaterfreunde.
Die Kathedrale von Palermo ist von außen eine andere Kirche, als von innen. Die Außenfassade lässt einen weiteren, goldglänzenden, byzantinischen Innenraum vermuten, aber man betritt eine sehr große Kirche, die nach einem Umbau im ausgehenden 18. Jhdt. klassizistische, kühle Züge trägt. Für Deutschland ist die Kathedrale von besonderer Bedeutung, da sich dort die Gräber der Stauferkaiser Heinrich VI., Friedrich II. und Königin Konstanze von Sizilien befinden.
Den Abschluss des heutigen Tages bildet der Normannenpalast, der noch immer Sitz des sizilianischen Parlaments ist und ein Wunder beherbergt: die Capella Palatina. Sie wurde von König Roger II. im normannisch-arabisch-byzantinischen Stil als Hofkapelle des Palazzo Reale von Palermo errichtet. Wenn wir dachten, dass die normannischen Kirchen, die wir bisher gesehen hatten, unvergleichlich waren, so übertrifft die Capella Palatina noch einmal bisher Gesehene an Schönheit.
Theater gab es auch heute, aber anders als gewohnt. In einer kleinen Seitenstraße betreibt Vincenzo Argento sein Puppentheater. Sein Großvater hat es gegründet, er selbst hat es dann von seinem Vater übernommen und Sohn und Enkel arbeiten hier ebenfalls als Puppenspieler. Fünf Generationen. Vincenzo il Puparo, der Puppenspieler, schnitzt all seine Figuren selbst. Bis zu 20 Kilo sind sie schwer, ich konnte sie kaum halten. Beweglich und in prächtige historische Gewänder gekleidet, werden sie von den Puppenspielern von der Seite der kleinen Bühne bewegt. Alle Texte werden von den Puppenspielern dazu live gesprochen. Ritter, Könige, schöne Prinzessinnen, ein Teufel und ein schlangenartiges Ungeheuer gaben uns eine 45 Minuten lange Vorstellung, in der Orlando und Rinaldo reihenweise Sarazenen verprügelten und dafür von Karl dem Großen nach Paris eingeladen wurde. Wir saßen glücklich und gebannt wie die Kinder in dem kleinen alten Theater.
Constanze Könemann