OpernTester nehmen die opera piccola „Schneewittchen“ unter die Lupe
Laura (23), Eva Marlene (11) und Clara (21) waren exklusiv bei einer Probe zur opera piccola „Schneewittchen“ mit dabei und berichten über ihre Eindrücke.
Es ist dunkel und nur die Leuchter durchforsten den Raum in der opera stabile. Man fühlt sich weniger Besucher, als vielmehr Teil dieser Inszenierung.
Es ist eine Oper für Kinder und auch mit Kindern. Durch den Raum tanzen und springen diese verkleidet als tierische Waldbewohner und als die sieben Zwerge. Die Kostüme sind fantastisch, und an einem gewissen Punkt habe auch ich mir gewünscht, als Vogel verkleidet durch den Raum zu huschen. Die Kinder waren für mich der Träger des Stücks: Natürlich war vermutlich jede ihrer Bewegungen inszeniert und geplant, doch ihre Kindlichkeit, teilweise auch Unbeholfenheit gaben den Szenen einen spontanen und lebendigen Moment. So werden beim Begräbnis Schneewittchens leuchtende Steine weitergereicht und der Uhu schaut sich verwundert und unsicher um, ob der Stein in seiner Hand denn nun schon seiner sei. Oder wie die Augen des Fuchses scheu durch den Raum wandern. Die Nervosität der Kinder wird zum scheuen Dasein der Tiere. (Laura)
Viele kleine Schauspieler und Sänger prägen den Eindruck von „Schneewittchen“: die sieben Zwerge und auch Zwerginnen, oder hier die sieben Wochentage. Dazu kommen einige Waldtiere, die zum wesentlichen Unterhaltungsfaktor der Oper beitragen. So wackelt beispielsweise der Hahn bei jedem Schritt mit dem Allerwertesten, den bunte Federn zieren. Der Wolf versteht sich gleich gut mit Schneewittchen: Wie könnte man auch nicht gleich Freundschaft schließen mit dem hübschen Kind, das niemandem etwas zu Leide tut? Die Eule zieht in einer Szene alle Blicke auf sich: Während der Rest selig vor sich hin schlummert, bewegt sich das nachtaktive Geschöpf in einem wilden Tanz. (Clara)
Das Bühnenbild ist an sich schlicht gehalten: Eine Wand im winterlichen Weiß mit Eisschichten als Boden, zur linken ein kahler Baum mit roten Äpfeln und im Mittelpunkt ein Thron und der Spiegel. Der Spiegel, der in diesem Falle gar kein Spiegel ist, sondern mit Projektionen arbeitet, um das nicht vorhandene Spiegelbild der so auf Schönheit versessenen Königin zu unterstreichen. Die Kammerzofe der Königin spielt somit gegen ihre eigene Projektion, wenn sie sich im Spiegel betrachtet, was eine Meisterleistung an Timing und Reaktion benötigt. Das Stück spielt insgesamt mit zeitgenössischen Techniken und klassischen Opern- und Theaterelementen. Auch die Musik ist ein symbiotisches Verhältnis zwischen Orchesterinstrumenten (inklusive Klavier) und modernen Tönen und Geräuschen, die über die Lautsprecher erklingen. Wenn die Königin in den Apfel beißt, hört man das Geräusch des Bisses im ganzen Raum knacken. Oder das Hufgetrappel der Pferde kommt genau aus der Richtung, aus der der Prinz mit Entourage angeritten kommt. Es ist ein Zusammenspiel von Raum und Ton, das insbesondere in den Momenten, in denen der Spiegel befragt wird, eine düstere und „magische“ Atmosphäre erzeugt. (Laura)
Am besten hat mir die Rolle des Prinzen gefallen, der hat sehr witzig geschauspielert und deshalb gab es da viel zu lachen. (Eva Marlene)
Die Kostüme der Tiere sind mit viel Liebe zum Detail angefertigt worden. Die Felle, in Braun- und Grautönen, wirken echt und manch ein Tier trägt sogar einen schicken Zylinder. Die Zwerge treten zunächst als eifrige Bergarbeiter auf, in olivgrünen Overalls, bevor die tief auf der Stirn ruhenden Käppchen zu in die Höhe ragenden bunten Zwergenmützen werden. Mit dieser Kostümverwandlung scheint auch jeder Zwerg durch seine Farbe und Kleidung charakterisiert zu werden. So ist der gräulich gekleidete Zwerg mit weniger Elan ausgestattet als seine stets munteren Geschwister. Alle Zwergengesichter sind mit bunten Sommersprossen bemalt, was ihre charmant-freche Art noch unterstreicht. Die Kinder wirken amüsiert beim Geschehen und ebenso hochkonzentriert in ihren Rollen. Die böse Stiefmutter scheint ihre Rolle zu genießen – auf dem prunkvollen Thron sitzend oder sich in dem mächtigen Spiegel betrachtend. Frau Königin vollführt gleich zwei Kostümwechsel, schamlos auf der Bühne, wobei ihr ihre Kammerzofe zur Hand geht: Der schwarze Samtmantel mit goldenem Futter wirkt so einladend auf den Jäger, dass er in einer Szene glatt darunter kriecht! (Clara)
Das Düstere und dramatisch Böse wurde großartig in der Königin personalisiert. Ihre Kostüme sind weite, dunkle Umhänge, eine imposante Krone oder ein eleganter Turban, der ihr schwarz-weißes Haar zunächst verbirgt. Das Haar lässt in seiner Zweifarbigkeit an Cruella De Vil erinnern, was ihre berechnende Bösartigkeit unterstreicht. Der Auftritt von Renate Spingler als böse Königin ist gefüllt mit großer Gestik und hämischem, kratzendem Gelächter – genau das, was diese Figur braucht. Doch Spingler schafft es zugleich auch, diesem Charakter einen komischen Moment zu verleihen. Genau diese Gratwanderung zwischen Antagonistin und einer dezent verwirrten alten Dame gefiel mir sehr. (Laura)
Der Spiegel ist in dieser Inszenierung ein gewitztes Hexenwerk, denn hier wird auf einer eingerahmten Stoffbahn eine Projektion abgebildet, die die Kammerzofe haargenau in ihren Bewegungen widerspiegeln muss – bestimmt nicht leicht bei den drei Pirouetten, die die Zofe fröhlich dreht. Die aufgemalten Kulleraugen des Schneewittchens verleihen die extra Portion Unschuld, in Verbindung mit dem weißen Kleid. Allerdings trägt Schneewittchen zu dem Kleid derbe schwarze Boots, aus denen – wohl im Wald gepflügte – Gänseblümchen ragen. Das Kleid ist auch nicht reinweiß, sondern in der Mitte mit türkiser Farbe besprenkelt. Das Zwergenhaus, in dem Schneewittchen unterkommt, passt auf den Zentimeter genau, um das Schneewittchen mit angewinkelten Beinen zu beherbergen. Es ist ein ausgeleuchtetes, aus Holzbalken und mit Stoff überzogenes Häuschen, in dem bald sieben Gucklöcher zum Vorschein kommen, durch die die Zwerge das Mädchen neugierig betrachten. (Clara)
Das Bühnenbild war sehr fantasievoll gestaltet. Das Licht war für mich besonders schön. Die Kostüme waren auch etwas ganz Besonderes: alles war in bunten Farben und aus schönen Stoffen, besonders natürlich das Kostüm von Schneewittchen! (Eva Marlene)
Schneewittchen hätte für mich forscher, aufgeklärter und auch selbstbestimmter auftreten können und sollen. Die Darstellerin Narea Son hat ohne Frage eine großartige Stimme und ein graziles Auftreten, wie man es sich von Schneewittchen vorstellt. Jedoch könnte man zum einen gerade diese Vorstellung durchbrechen und zum anderen verkörperte sie für mich zu sehr das meinungslose, unschuldige und hilflose Mädchen.
Trotzdem hat es der Geschichte und ihrer Erzählung nicht an Spannung und vor allem nicht an Humor gemangelt. An vielen Stellen konnte auch ich schmunzeln oder lachen: Der Uhu, der als Einziger nachts sich schüttelnd wach bleibt, der Prinz, der völlig überzogen auf seinem Holzpferd galoppierte – all das waren simple, doch unglaublich komische Details, die Kinder bestimmt zum Kreischen finden werden. Ein bisschen zu viel waren für mich die popkulturellen Elemente – besonders ist mir hierbei das ‚Flossing‘ aufgefallen. Vermutlich werden Kinder es lieben, auf mich wirkte es eher erzwungen. Aber solche Dinge sind subjektive Betrachtungen und an sich ist ein Gegenwartsbezug besonders in Opern für Kinder ein aufbrechendes, zum Publikum Nähe schaffendes Element. (Laura)
Die Untermalung mit elektronischen Soundeffekten, die immer wieder aus allen Ecken des Raumes erklingen und dem Zuschauer so den Effekt eines 4D-Kinos vermitteln, tragen zum zeitgenössischeren Eindruck bei. (Clara)
Dadurch, dass es sich um eine Hauptprobe handelte, fand ich es unglaublich interessant zu beobachten, wie die Regisseurin Birgit Kajtna immer wieder ins Geschehen eingriff – Positionen und Darstellungsweisen korrigierte. Wie letzte Schliffe im Anpassen von Licht gemacht wurden (einem Element der Inszenierung, was man als Zuschauer oft unterschätzt und vergisst), oder die Musiker auf die Tonband-Töne abgestimmt wurden, war ein einmaliges Erlebnis, für das ich sehr dankbar bin. (Laura)
Schön, dass ihr bei uns wart! Du willst auch OpernTester werden? Dann bewirb dich unter folgender Email-Adresse: schausdiran@staatsoper-hamburg.de