Pressestimmen Carmen — „Eine Sternstunde“

Am 17. September hatte Carmen von Georges Bizet Premiere. Regie führte Herbert Fritsch, das Philharmonische Staatsorchester wurde von Yoel Gamzou geleitet. In der Titelpartie ist Maria Kataeva zu erleben, als Don José Tomislav Mužek, als Micaëla Elbenita Kajtazi.

Die Spielzeiteröffnungspremiere spaltete sowohl das Publikum als auch die Presse. Auf seinem Blog bezeichnet Dieter David Scholz die Produktion als „eine Sternstunde. Es ist die Rettung von Bizets häufig in inszenatorischen Spanienklischees erstickendem Meisterwerk durch Überzeichnung, Ironie, Groteske (…) eine schwarze, und doch karnevaleske Komödie in bunten Bildern zwischen Barocktheater, katholisch-sakralem Brimborium (…) und grellem Musical.“

Die dpa meldet: „Fritschs Spezialität ist die Personenregie. Er verlangt den Darstellern eine regelrecht abstrakt erscheinende Gestensprache ab und gewährt dadurch Einblick in das Seelenleben der Figuren (…)“. Über die von José Luna gestalteten Kostüme schreibt Alexander Hall für Bachtrack, sie „gehören zu den schillerndsten, die ich je gesehen habe.“ Und Peter Jungblut pointiert im BR Klassik „diese Carmen hält über gut drei Stunden aufs Angenehmste wach.“

Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Für die Sängerinnen und Sänger findet die Presse viel Lob. Besonders Maria Kataeva begeisterte als Carmen das Publikum: „Sie tanzte und klapperte mit den Kastagnetten, als ob ihre Vorfahren seit mindestens drei Generationen in Andalusien zu Hause waren.“, so Peter Jungblut im Bayerischen Rundfunk Kultur. Opera online ergänzt: „Die Carmen von Maria Kataeva bietet in Stimme und Bühnenausdruck die richtige Mischung für die Partie (…) Besonders überzeugende Auftritte gelingen im Zusammenspiel mit der Frasquita von Katrina Galka und der Mercédès von Ida Aldrian.“ Über Elbenita Kajtazi im Rollendebüt ist zu lesen: „Micaëla von Elbenita Kajtazi besticht gleichfalls durch ihren zurückgenommenen Sopran, der in sensibler Balance mit dem Orchester geführt wird und in den Höhepunkten anrührend brilliert.“ Joachim Mischke schreibt im Hamburger Abendblatt über die Titelpartie: „Ein Mezzosopran, der mit ihrem ersten Auftritt klarmacht, dass sie das unwiderstehliche Licht sein will, an der sich alle Männer die Finger verbrennen sollen.“ Elbenita Kajtazi werde als Micaëla zu Carmens „Gegenspielerin auf Stimmbandhöhe“ und „schaltet das Charisma ein, das sie bis zu ihrem letzten Ton tragen wird.“

Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Mit Yoel Gamzou am Pult gab es eine frische Interpretation der Partitur. „Tatsächlich hört man die ‚Carmen‘-Musik an diesem Abend wie neu. Denn Yoel Gamzou gelingt auf mitreißende Weise, woran Fritsch scheitert: Er legt die schillernde Ausdrucksfülle dieses Werks frei, das von Todesmut und der Macht des Eros, vom brennenden Lebenswillen, vom unbedingten Freiheitsdrang und von der sexuellen Selbstbestimmtheit einer außergewöhnlichen Frau erzählt, befreit es von der klischeebeladenen Perspektive des voyeuristischen Flamenco-Touristen, findet zu einer existenziellen Intensität“, so Julia Spinola in der Süddeutsche Zeitung.

„Welches Freiheits- und Emanzipationspotenzial jedoch nach wie vor in dieser Wunderpartitur steckt, war an diesem Abend zu erleben. Yoel Gamzou hat es entfesselt“, liest man in ihrer Kritik. Gelobt wird von opera online „das umsichtige und kreative Dirigat von Yoel Gamzou. Man kann die Partitur von einer ganz anderen, ungewohnten Seite hören. (…)“ Weiter heißt es: „Das sind kreative, neue Einblicke – und übrigens auch: die erfolgreiche Vermeidung musikalischer Klischees und alter Höhengewohnheiten.“ Dieter David Scholz dazu: „Yoel Gamzou hat Bizet mit extrem rasanten Tempi, mit Biss und Attacke kompromisslos zupackend und klangschön dirigiert, erschütternd kraftvoll und intelligent. Ich habe diese Musik noch nie so frisch, unverbraucht und analytisch glasklar gehört!“

Klassik.com meldet „Yoel Gamzou strukturiert das Klangbild mit profunder, selten zu hörender Präzision. Er erlaubt Sängern und Orchester nichts, was nicht in den Noten steht. Seine musikalische Imagination des Szenischen, des Dramatischen ist musikalisch überzeugend, die Tempi stimmen metronomisch und dramatisch. Sie schmiegen sich dem komponierten Atem der Leidenschaft dieser Musik an und stehen nicht rechthaberisch-stramm im rhythmischen Geschirr. Und was der Agogik recht, ist der Dynamik billig, daraus resultieren Differenzierungen und Akzente in plastischer Analogie zur Handlungserzählung (…) Musikalisch auf höchstem Niveau, was Yoel Gamzou und dem brilliant musizierenden philharmonischen Staatsorchester zu verdanken ist.“