Im Gespräch mit: Christina Schmitt
Als Teil des LWOWSKI• KRONFOTH• MUSIKTHEATER KOLLEKTIV ist Christina Schmitt in unserer Opernstudio-Produktion „Orpheus“ (Georg Philipp Telemann) für das Konzept von Bühne und Kostüm verantwortlich – im Gespräch erzählt sie uns, woher sie ihre Inspiration nimmt, wie ihr Bühnenkonzept für Orpheus entstanden ist und welche Rolle ein Stier auf der Bühne spielen wird.
Wie gehst du an die Konzeption von Bühnen- und Kostümbild heran? Googlest du? Gehst du in Bibliotheken? Oder in die Natur?
Christina: „Die Konzeptionsphase beginne ich mit der inhaltlichen Beschäftigung zum Stoff – parallel dazu höre ich die Musik. Ich beschäftige mich ganz klassisch mit der Zeit aus der das Stück kommt, dem Komponisten und der Gesellschaft, in der er gelebt hat. Dann finde ich assoziativ und im Gespräch mit dem Regieteam Themen, die mich interessieren. Im speziellen Fall der Produktion „Orpheus“, ging es mir vor allem darum, mich mit dem Thema Tod und dem „Wieder-Lebendig-Werden“ (Stichwort „Phönixologie nach Cocteau“: the art of repeatedly dying to be reborn) auseinanderzusetzen.
Die Orpheus-Filme von Jean Cocteau und generell der Orpheus-Mythos sind ja ein unerschöpfliches Thema. Dazu gehe ich in die Bibliothek, manchmal auch in Ausstellungen, lese, sehe Filme an, recherchiere natürlich auch im Internet und gehe spazieren (das hört sich total kitschig und altmodisch an, aber beim Laufen kommen manchmal wirklich die besten Ideen).“
In der Inszenierung wird ein Stier eine wichtige Rolle spielen. Woher kam die Idee?
Christina: „In der Recherche zu Orpheus hat mich der Umgang mit dem Tod in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen beschäftigt. Dabei bin ich auf das Ritual der „Bugonie“ gestoßen: Aus dem verwesenden Körper eines toten Stieres entstehen in einer antiken Vorstellung Bienen. Vor allem Vergil beschreibt in seiner „Georgica“ dieses Bild, in dem aus einem toten Körper neues Leben entsteht.“
„Daraus gehen auch die Bienenkörbe als Bühnenelemente hervor – es gibt hier aber wiederum auch einen anderen Bezug, nämlich den Zusammenhang mit der Sage, dass der Bienenkönig Aristaios versucht hat, Eurydike zu vergewaltigen. So wird im zweiten Akt unserer Inszenierung Orasia im Kostüm als Bienenkönigin erscheinen.“
„Der Stier ist auch ein heiliges Tier und typisches Opfertier – bei uns wird er wie ein Kunstobjekt sorgsam verpackt auf die Bühne gerollt. Er ist mehr Statue als dass er wie ein lebendiger Stier bespielt wird. Orasia als Seele des Orpheus reitet sozusagen auf ihm in den zweiten Akt, von den beiden Plutos gezogen. Parallel zur Idee des Seelengespanns, wie Platon es beschreibt: „in Vernunft, Mut und die Begierde geteilt.“ Er wird den gesamten zweiten Akt in unterschiedlichen Situationen auf der Bühne verbringen.“
Nachdem du dein Konzept für das Bühnenbild entwickelt hast, werden deine Ideen in den Werkstätten in die Realität umgesetzt. Wie kann man sich den Prozess vorstellen? Und worauf legst du wert?
Christina: „Mein Assoziationsbuch ist die Grundlage für meine Konzeption. Darauf basieren meine Ideen. Für die Bauprobe erstelle ich außerdem ein Bühnenmodell, das ich gemeinsam mit meinen Collagen als Vorlage an die Theaterplastiker weitergebe. Vor Probenbeginn war ich mehrfach in den Werkstätten, wir besprechen dann alle Details direkt am Objekt, wie zum Beispiel die Farbe der Skulptur oder die Größe und Form der Hörner. Ich lege Wert auf Form, farbliche Bearbeitung und Struktur – besonders wichtig ist mir aber immer, dass die Bühnenelemente am Spiel und Geschehen auf der Bühne teilnehmen. Der Stier muss so stabil gebaut werden, dass Darsteller auf ihm sitzen können, er sollte sozusagen (wie ein weiterer / stiller Darsteller) mitspielen können.“
Wie geht die Realisierung des Bühnenbilds weiter? Und welche Schritte sind nötig, damit der Stier aus Christinas Vorstellung auf die Bühne der opera stabile kommt?
Im nächsten Blogpost nehmen wir euch mit in unsere Werkstätten und zeigen euch, wie aus Christinas Idee ein echtes Requisit entsteht – ihr dürft gespannt bleiben!