Welche Rolle spielt eigentlich…eine Garderobenmeisterin?
Ob schnelles Zusammenflicken auf der Seitenbühne, Umbesetzungen mit anderer Konfektionsgröße oder drei Umzüge an einem Abend – Isabel Koschani-Maoro braucht nicht nur starke Nerven, sondern auch ihr Allzweckmittel: Nadel und Faden. Die Gewandmeisterin im Garderobendienst hat uns Frage und Antwort gestanden und Einblicke in 15 Jahre Berufsalltag gegeben.
Vor der Vorstellung
Mit 25 Mitarbeitern ist Isabel Koschani-Maoro für die Kostüme des Repertoires und aller Vorstellungen verantwortlich. Neben der Strukturierung ihres Teams beginnt ihr Tag mit der Prüfung der Kostüme für die abendliche Vorstellung: „Manchmal geht ein Schuh kaputt oder Wäsche, Strümpfe, Hüte, Haarspangen und Schleier sind beschädigt – das alles muss gecheckt werden“. Dazu kommen kurzfristige Änderungen – gibt es eine kurzfristige Umbesetzung, weil ein Sänger ausfällt, heißt es: Maße checken! Zwar sind meistens zwei bis drei Kostümsätze in verschiedenen Größen vorhanden, doch das reicht nicht immer. „Bei ‚Les Troyens‘ haben wir zum Beispiel das Rückenteil vom Kleid ausgetauscht, weil die Solistin größer als die Originalbesetzung war“, erzählt Isabel Koschani-Maoro. Neben Änderungen stehen vormittags auch Anproben für neue Kollegen, den Chor oder die Statisterie an. Erst wenn alles sitzt, werden die Kostüme aufgebügelt und in die jeweiligen Garderoben gehängt. Die Sänger trudeln meistens ein zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn ein, gehen in die Maske und tauschen im Anschluss den Schminkmantel gegen das Kostüm. „Das ist ganz unterschiedlich: Manche ziehen das Kleid erst kurz vorher an, andere bereits eine Stunde vor Vorstellungsbeginn, um besser in die Rolle reinzukommen.“
Vorstellung läuft!
Während der Vorstellung haben sie und ihr Team im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun: Sie bereiten die Umzüge vor, helfen aus und ins neue Kostüm und stehen parat, bis der Vorhang fällt. „Die Sänger sollen sich voll und ganz auf ihre Rolle konzentrieren. „Sie sollen sich gar nicht ums Kostüm kümmern, das übernehmen wir!“ Dabei ist jedes Stück unterschiedlich, manchmal sind die Garderobenmitarbeiter den ganzen Abend mit einer Solistin von A nach B unterwegs, wann anders braucht es dagegen viele fliegende Hände, um den gesamten Chor innerhalb von Minuten umzuziehen. In dieser Spielzeit ist zum Beispiel „Guillaume Tell“ voll besetzt mit Chor, Sonderchor und Statisterie. Das Stück kommt auf über 400 Kostüme – inklusive Schmuck und anderer Kleinteile. Und wenn dann doch mal etwas schiefgeht, ist Kreativität gefragt. „Wenn etwas reißt oder kaputt geht, muss man sich schnell behelfen – entweder in der Pause, oder direkt auf der Seitenbühne.“ Ihr Supergau: „Vor einigen Jahren bin ich kurzfristig bei „Carmen“ im Herrensolo eingesprungen. Der Solist kam von der Bühne und die Hose war gerissen – aber nicht hinten, sondern vorne. Wir standen also auf der dunklen Seitenbühne und haben die Hose geflickt.“, erinnert sich Isabel Koschani-Maoro. Ihr Notfalltipp, wenn’s schnell gehen muss? Nadel und Faden, ganz klassisch.
Nach der Vorstellung
Nach der Vorstellung bleiben die Kostüme zunächst in der Garderobe, ehe sie am nächsten Morgen gesichtet und gereinigt werden. Theaterblut ist dabei das kleinste Übel, in verdünnter Konzentration lässt es sich schon mit kaltem Wasser einfach auswaschen. Komplizierter wird es bei Schweiß und Make-Up: Ersterer schadet den Stoffen, zweites hinterlässt hartnäckige Fettflecken. In dem Fall gibt’s eine Notiz für den Dienst am nächsten Tag. „Das gehört dann dazu“, so Isabel Koschani-Maoro.
Vor der nächsten Vorstellung wird dann wieder alles neu eingerichtet, aufgebügelt und durchgeschaut. Im Schnitt wird jedes Stück vier- bis fünfmal gespielt, ehe es zurück in den Fundus wandert. Hier hängt auch das Lieblingskostüm der Gewandmeisterin, das blaue Kleid aus „Tosca“. „In dem sieht einfach jede Sängerin toll aus, das macht der Schnitt: Die Taille ist langgezogen, das Unterkleid relativ schmal. Da ist es ganz egal, ob die Sängerin groß, klein, dick oder dünn ist.“ Dazu ein Paar lange Handschuhe und große Strassohrringe, schon steht das Outfit – doch das Kleid ist nicht ohne! Zweiter Akt, Tosca sitzt am Tisch und singt ihre Arie, verführt Scarpia und bringt ihn um. Und ihre große Verführungsszene wäre keine, würde sie dabei nicht zumindest das Oberkleid fallen lassen – das sie nach getaner Arbeit wieder alleine anziehen muss. „Der Trick ist, den mittleren Haken zu schließen. Das ist die halbe Miete“, weiß Isabel Koschani-Maoro. Denn dieser hält die Taille fest, sodass nichts mehr rutschen kann. „Als Ankleider steht man dann auf der Seitenbühne und denkt: „Hoffentlich bekommt sie jetzt die Haken zu“. Man kann ja nichts machen, um zu helfen.“ Nur in den Proben muss jede Tosca einmal vorher ran: Wer das blaue Kleid tragen möchte, muss mindestens ein-/zweimal vorher üben, es auch alleine anzuziehen.
Isabel Koschani-Maoro
… arbeitet seit nunmehr 15 Jahren an der Hamburgischen Staatsoper. 2002 begann sie als Gewandmeisterin mit Schwerpunkt Damensolo, wo sie alle Um- und Neubesetzungen ins passende Gewand brachte. Heute ist sie Abteilungsleiterin für den Bereich Garderobe, zu dem 15 Festankleider und 10 Abendankleider gehören. Trotz der bis zu 400 Kostüme, die pro Vorstellung über die Bühne gehen, hat sie ihren unangefochtenen Liebling: Das blaue Kleid der Tosca.
Wer sich für die Ausbildung zum Gewandmeister interessiert, sollte bei der Anna-Siemsen-Schule vorbeischauen. Sie bietet eine zweijährige Ausbildung mit einem bunten Curriculum aus historischer und moderner Schnittführung, Kostümgeschichte und –bearbeitung, Theater, Hut- und Kopfputz sowie Farben- und Formenlehre an.