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„Wohlstandsverwahrloste Bande“

Willy Deckers Inszenierung von Monteverdis „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ (Die Heimkehr des Odysseus) steht vier Mal auf dem Spielplan.

Odysseus kehrt nach Jahrzehnten aus dem trojanischen Krieg zurück und muss sogleich einen weiteren Kampf bestehen, denn seine in Trauer gefangene Ehefrau Penelope erkennt ihn nicht, und er muss sie mühselig zurückerobern.

Il Ritorno d'Ulisse in Patria

Kurt Streit als Odysseus „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ (Foto: Monika Rittershaus)

Die Monteverdi-Oper „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ aus dem Jahre 1640 erscheint in der Hamburger Inszenierung verblüffend aktuell, denn Regisseur Willy Decker lässt Ulisse nicht in ferner Vergangenheit spielen, sondern versetzt die Handlung ins Heute. Ein Großteil des Geschehens spielt auf einer leeren Drehbühne, im Hintergrund gibt es nur noch die Tafel, an der die Götter speisen. Neben den psychologischen und  mythologischen Ebenen hebt Decker auch die in der Handung vorhandenen komischen Elemente hervor: „Der Weg in dieses antike Welttheater ist für uns Heutige schwierig, wir können die Welt nicht mehr so einfach und naiv sehen und erklären, wie in diesem Märchenmodell des Universums, wahrscheinlich konnte auch Monteverdi das nicht; deshalb ist sein Welttheater auch derart voller Ironie, voller Absurdität und Komik. In seinem Himmel sitzt nicht der christliche Schöpfergott, einzig in seinem Zorn und seiner Gnade, nein, er bevölkert seinen Olymp mit der zwielichtigen Gesellschaft der antiken Götter, kapriziös, verspielt, lasterhaft, allzu menschlich… im Grunde sind die Götter im Ulisse Spiegelungen des Menschen und umgekehrt.“

Il Ritorno d'Ulisse in Patria

Szenenfoto aus „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ (Foto: Monika Rittershaus)

Nach der umjubelten Ulisse-Premiere im Oktober 2017 schrieb die ZEIT: „Die Olympier bei Monteverdi und seinem Librettisten Giacomo Badoaro sind eine arrogante wohlstandsverwahrloste Bande, die zum Zeitvertreib Menschen manipuliert. So stellt es sich jedenfalls in der höchst unterhaltenden, ironischen und gewitzt kargen Inszenierung durch Willy Decker dar… Eine irritierend bruchlose und großartige Sache also, diese Kollaboration von Monteverdi und Badoaro und Decker. Das Publikum war schon in der Pause besoffen vor Glück, der Schlussapplaus tobte vor Begeisterung.“ Und im Hamburger Abendblatt stand zu lesen: „Es ist eine hohe Kunst, die Spannung zu halten und jederzeit eins mit dem zu sein, was die Figuren durchleben. Gar nicht einfach, das Ensemble dafür zu finden, aber der Premierenabend wird ein wahres Sängerfest. Der Tenor Kurt Streit in der Titelrolle ist hörbar vertraut mit Monteverdis Tonsprache und von ergreifender Präsenz bei aller charakterlichen Ambivalenz der Figur… Großer Jubel für einen großen Abend.

Annedore Cordes