Kitschig? Nein! Wunderbar! (Tag 3 der Sizilienreise)

Kleine und große Steine, Mosaiken und Säulen – unterwegs auf Sizilien.

Zu den Klängen des Intermezzos aus Cavalleria Rusticana fahren wir heute früh durch Orangenplantagen am Fuss des Ätnas entlang nach Piazza Armerina. Kitschig? Zu romantisch? Nein! Wunderbar! Das Ziel ist eine im Inland Siziliens gelegene römische Villa aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhundert: Die Villa Romana del Casale. Bis heute ist nicht erwiesen, wem sie gehörte. Sie liegt abgelegen und ist doch ein Touristenmagnet. Zu Recht, denn sie enthält eine schier endlose Fülle schönster Mosaiken, die zudem noch wie ein Zeitfenster in die Lebensgewohnheiten der damaligen Zeit sind. Wir entdecken, daß junge Frauen bereits vor über 1600 Jahren Bikinis trugen und mit Kurzhanteln trainierten. Fitness in der Antike.

Der naheliegende kleine Ort Piazza Armerina, ist um die Mittagszeit wie ausgestorben. Keine Menschenseele zu sehen. Aber aus allen Fenstern duftet es herrlich nach frischer Tomatensoße. Sonntagmittag in Italien!

Durch kahle Felslandschaften, abwechselnd mit Eukalyptuswäldern, Olivenbäumen und verlassenen Schwefelminen geht es dann durchs Landesinnere zurück an die Südküste. Von Rom nach Griechenland sozusagen, denn als Nächstes steht das Valle dei Templi auf dem Programm. Das Tal der Tempel, Unesco Weltkulturerbe, wie auch schon die Villa Romana del Casale. Die archäologischen Stätten von Agrigent gehören zu den eindrucksvollsten archäologischen Fundplätzen auf Sizilien. Sie zeigen vor allem die Überreste von Akragas, einer der bedeutendsten antiken griechischen Städte auf Sizilien. Die Tempel sind teilweise noch sehr gut erhalten. Wir staunen darüber, dass das Tal der Tempel eigentlich ein Hochplateau ist und dass ein Tyrann durchaus ein guter Mensch sein kann. Die Tyrannis war eine Herrschaftsform im antiken Griechenland, es handelte sich um die unumschränkte Alleinherrschaft. Der aus Akragas, dem heutigen Agrigent, stammende Empedokles soll über die Einwohner seiner Stadt gesagt haben: „Sie bauen, als würden sie ewig leben und sie essen, als würden sie morgen sterben“. Beides verwundert angesichts der enormen Bauwerke einerseits und des vorzüglichen sizilianischen Essens andererseits nicht.

Ob Goethe auf seiner Italienreise wohl an demselben Platz neben dem Concordiatempel gestanden hat und den Sonnenuntergang über dem Mittelmeer bewundert hat, wie wir heute?

Constanze Könemann