Auf einen Schnack mit: Elsa Dreisig
Die Sopranistin Elsa Dreisig verkörpert die Titelpartie in „Manon“ von Jules Massenet in der nächsten Neuproduktion der Staatsoper Hamburg. Die Musikalische Leitung hat Sébastien Rouland, Regie führt David Bösch.
Frau Dreisig, wir freuen uns sehr, Sie an der Staatsoper Hamburg als Gast zu haben und dass Sie mit der Manon Ihr Debüt an der Dammtorstraße geben. Wie ist es für Sie, in der aktuellen Corona-Zeit die Probenarbeit durchzuführen?
Elsa Dreisig: Die Möglichkeit zu proben, auch unter Corona-Regeln, tut meiner Stimmung gut. Wenn ich zu Hause bleibe, werde ich verrückt. Natürlich ist es für mich als Sängerin die größte Freude, auf der Bühne vor Publikum zu singen. Aber die Proben sind auch ein wesentlicher Teil meiner Arbeit, denn genau in dieser Probensituation erfinden wir uns selbst neu in der Figur, die wir singen und probieren neue Aspekte der Figur aus. Ich genieße diese Herausforderung während der Proben sehr, denn sie sind auch eine Herausforderung für mein Leben.
Sie haben Massenets Manon bereits in Zürich gesungen. Haben Sie eine besondere Beziehung zu der Figur der Manon? Und wenn ja, welche?
Ich liebe die Figur der Manon, so wie ich alle Rollen liebe, die ich singe. Es ist eine erstaunliche Frau, die ich singe und darstelle. Mein Rollendebüt in Zürich war eines der herausforderndsten, das ich jemals hatte. Man braucht eigentlich drei Stimmen, um diese Rolle angemessen zu gestalten, auch wegen der ungeheuren Länge der Partie. Es war nicht leicht, eigentlich sehr stressig. Aber das Glücksgefühl, das ich auf der Bühne zurückbekam, war ungeheuer. Diese Musik geht direkt ins Herz.
Da ich sie schon einmal gesungen habe, ist die rein gesangliche Herausforderung nicht mehr ganz so groß, obwohl immer noch schwierig. Die Aufgabe, die ich mir jetzt gestellt habe, liegt darin, zusammen mit David Bösch eine Figur zu finden, die moderner ist. Und genau das ist es, was meinen Beruf – oder besser gesagt: meine Leidenschaft – so interessant macht: Ich singe dieselbe Partie, aber es bedeutet immer, den Charakter neu zu erfinden.
Sie haben zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten. So wurden Sie als „neuer Stern am Himmel des Operngesangs“ bezeichnet. Wie gehen Sie mit solchen Titeln und mit Kritik bzw. öffentlicher Wahrnehmung im Allgemeinen um?
Mittlerweile versuche ich zu vermeiden, das zu lesen, was über mich geschrieben wird. Ich erinnere mich immer nur an die schlechten und nicht an die guten Dinge. Mir gelingt es einfach nicht, nur die guten Kritiken wahrzunehmen. Mein Lebenspartner sagt mir immer Bescheid, wenn er etwas Positives liest, das ich wissen sollte oder das mich glücklich macht. Die Nachrichten über Social Media erreichen mich direkt, sie sind in der Regel wohlwollend und dafür bin ich dankbar.
Ich bin selbst schon sehr kritisch mit mir und werde mein Leben lang hart arbeiten, weil man nie ausgelernt hat. Dafür brauche ich keine Kritiker …
Was gefällt Ihnen an Hamburg besonders gut?
Es ist wunderschön. Ein bisschen vermisse ich die Sonne. [Lacht.] Es ist schade, dass keine Restaurants oder Cafés offen sind. Deshalb bin ich meistens entweder in der Oper oder im Appartement.
Vielen Dank und toi, toi, toi für Ihre Zeit an der Staatsoper Hamburg und die bevorstehenden Endproben!
Elsa Dreisig
gibt als Manon in der Inszenierung von David Bösch ihr Hausdebüt an der Staatsoper Hamburg. Die Sopranistin mit französisch-dänischen Wurzeln ist Ensemblemitglied der Staatsoper Unter den Linden in Berlin und verkörpert dort u. a. Partien wie Pamina (Die Zauberflöte), Euridice (Orfeo ed Euridice), Diane (Neuproduktion von Hippolyte et Aricie), Gretchen (Szenen aus Goethes Faust von Schumann anlässlich der Wiedereröffnung der Staatsoper Unter den Linden), Gretel (Neuproduktion von Hänsel und Gretel), Musetta (La Bohème), Violetta (La Traviata) und Natascha (Violetter Schnee, Uraufführung von Beat Furrer).
Darüber hinaus ist Elsa Dreisig international auf großen Bühnen erfolgreich. Ihr Debüt an der Pariser Oper gab sie als Pamina, es folgten Auftritte als Lauretta (Gianni Schicchi) und Zerlina (Neuproduktion Don Giovanni). Am Opernhaus Zürich trat sie zunächst als Musetta auf und gab dann ihr Rollendebüt als Manon von Massenet. Im Rahmen des Festival d’Aix-en-Provence verkörperte sie Micaëla in einer Neuproduktion von Carmen. Am Londoner Royal Opera House Covent Garden debütierte sie 2019 als Pamina. An ihrem Stammhaus gab sie 2020 ihr Rollendebüt als Fiordiligi in einer Neuproduktion von Così fan tutte unter der Leitung von Daniel Barenboim. Im selben Jahr verkörperte sie die Mozart-Partie bei den Salzburger Festspielen.
Zu den Auszeichnungen des „neuen Sterns am Opernhimmel“ zählen u. a. der Titel Nachwuchskünstlerin des Jahres 2017, den die Zeitschrift Opernwelt vergibt und der erste Preis für die beste Sängerin des von Plácido Domingo gegründeten internationalen Gesangswettbewerbs Operalia (2016).