Auf einen Schnack mit: Viktor Rud

Acht Jahre lang war Viktor Rud Mitglied des Staatsopernensembles. Nun ist er als Gast in der Titelpartie des genialen Wissenschaftlers Viktor Frankenstein zu erleben. Wir wollten von ihm wissen, was den Charakter seines Namensvetters ausmacht und ob er selbst auch ein Fan von künstlicher Intelligenz ist?

Mit „Frankenstein“ verbindet man meist das Monster, obwohl Frankenstein eigentlich sein Schöpfer ist: Wer ist Viktor Frankenstein?

Viktor Rud: Viktor Frankenstein ist eine vielschichtige Figur: Er hat diesen Ehrgeiz, etwas zu schaffen, was niemand zuvor geschaffen hat, was ihm auch gelingt und ihn zu einem genialen, vielleicht auch etwas übermütigen Erfindervater macht. Jedoch hat er tragischer Weise in seinem Herzen keinen Raum für diese Kreatur, die er erschaffen hat. Es gelingt ihm nicht, das Geschöpf als das zu akzeptieren, was es ist: ein lebendes, denkendes Wesen mit Gefühlen, das seine Hilfe braucht. Diese Verantwortung kann Frankenstein nicht übernehmen. Das ist der entscheidende Konflikt, aus dem die ganze Handlung resultiert.

Magst du es gerne gruselig?

Viktor: Ich liebe gute Filme! Wenn es ein guter Horrorfilm ist, würde ich ihn mir vielleicht schon ansehen. „Frankenstein“ ist aber so viel facettenreicher als eine reine Horrorgeschichte. Es ist eine Familiengeschichte, eine Abenteuergeschichte und eine Weltreise – in erster Linie geht es aber um Ehrgeiz, abgeschobene Liebe und Einsamkeit. Horror ist lediglich das Resultat unserer gesellschaftlichen Sichtweise auf Frankensteins Monster. Allein, dass wir von einem Monster sprechen! Viktor Frankenstein nennt es auch nicht Monster, sondern Geschöpf oder Kreatur, später dann Dämon, weil es Menschen getötet hat. Erst die Gesellschaft macht es dazu, indem sie ihm mit Hass begegnet.

Ein Beispiel: Das Geschöpf begegnet einem Bauernmädchen. Das Mädchen sagt zu ihm: „Du bist echt groß“. Es sagt nicht: „Du bist echt hässlich.“ Als dann jedoch die Bauern kommen, sehen sie ein Monster vor sich und greifen es an – mit schlimmen Konsequenzen. Die einzige Person, mit dem das Geschöpf eine normale Beziehung hat, ist der Blinde, denn er ist der einzige, der es nicht auf Grund seines Äußeren verurteilen kann.

Frankensteins Monster war schon vor 200 Jahren ein erster Vorbote künstlicher Intelligenz, die gerade viel diskutiert wird. Was hältst du von selbstfahrenden Autos, Siri und Robotern?

Viktor: Was mir ein bisschen Angst macht, ist, dass künstliche Intelligenz, vor allem in Form von Robotern, Arbeitsplätze gefährdet. Das passiert ja zur Zeit schon und ist erst der Anfang. Der wissenschaftliche Fortschritt kann in dieser Hinsicht durchaus gefährlich sein für die Gesellschaft, finde ich. Irgendwann erreichen wir vielleicht auch den Punkt, an dem unsere Schöpfung, die künstliche Intelligenz, so weit entwickelt ist, dass sie genauso gut denken kann wie wir, ihre Schöpfer. Am Ende ist das, was man geschaffen hat, vielleicht sogar physisch und mental stärker, ja fähiger als wir und übernimmt die Kontrolle über uns.

 

Viktor Rud

© Nikolai Schukoff

© Nikolai Schukoff

Der in der Ukraine geborene Opern-, Konzert- und Liedsänger Viktor Rud studierte zuerst Chordirigieren in Kiew und anschließend Gesang in London. Von 2007 bis 2009 war er Mitglied des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Berlin und von 2009 bis 2017 Ensemblemitglied der Hamburgischen Staatsoper.

Gastengagements führten den Sänger an das Teatro alla Scala in Mailand, an die Staatsoper Berlin, die Oper Leipzig, die Staatsoper Hannover, die Nationaloper der Ukraine in Kiew, die Oper Graz sowie nach Dresden und zu den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

Sein Opernrepertoire umfasst u.a. die Titelrollen in „Eugen Onegin“ und „Don Giovanni“, Nardo in „La Finta Giardiniera“, Papageno in „Die Zauberflöte“, Herr Fluth in „Die lustigen Weiber von Windsor“, Carl Linnaeus in „Limbus Limbo” sowie Salieri in „Mozart und Salieri“.

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