Johohoe! Johohoe! Hojohe! Erlösung für den Holländer?
Ihren Blick auf das Portrait des fliegenden Holländers geheftet, singt Senta voller Leidenschaft in der Spinnstube ihr Lied: Es handelt vom Schicksal des fliegenden Holländers, basierend auf einer alten Sage von einem Seemann, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Er muss auf seinem Geisterschiff so lange auf allen Weltmeeren umhersegeln, bis eine Frau ihm ewige Liebe und Treue – bis zum Tod – schwört. Das junge Mädchen steigert sich so sehr in die Vision des Holländers, dass sie sich selbst als dessen Erlöserin sieht.
Was aber ist das Besondere an Sentas Ballade und welche Bedeutung hat sie für die Oper? Die Ballade bildet sowohl musikalisch als auch inhaltlich den Kern von Wagners Komposition und beinhaltet fast alle Hauptthemen, die sogenannten Leitthemen der Oper: Hier wird erklärt, was es mit dem Holländer auf sich hat. Mit dieser Methodik verfolgte Wagner die Idee der „unendlichen Melodie“ – also der Verbindung der Leitmotive, Handlungen, Personen und Stimmungen zu einer fließenden Form. Er vermeidet so bewusst die Trennung der Oper in Teilstücke.
Auch wenn „Der fliegende Holländer“ im klassischen Sinne eine Nummernoper ist – das Werk also aus geschlossenen musikalischen Sätzen besteht – schafft es Wagner dadurch die musikalische Einheit der Oper, die auf Sentas Ballade als Kernstück basiert, herzustellen. Diese Verbindung war etwas ganz Neuartiges und zur damaligen Zeit revolutionär.
Senta
Johohoe! Johohoe! Hojohe!
Traft ihr das Schiff im Meere an,
blutrot die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
des Schiffes Herr wacht ohne Rast.
Hui! – Wie saust der Wind! – Johohe! Hojohe!
Hui! – Wie pfeift’s im Tau! – Johohe! Hojohe!
Hui! – Wie ein Pfeil fliegt er hin,
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!
Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,
fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! –
Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, daß bald
ein Weib Treue ihm halt!
Sentas Ballade, gesungen von Ricarda Merbeth am 11.02. 2016 an der Staatsoper Hamburg
Und wie kann ein Motiv wie die „Erlösung“ musikalisch dargestellt werden?
Die gezielte Arbeit mit Motiven, die bestimmten Personen oder Ereignissen zugeordnet sind, ist typisch für Wagners Musik. So findet sich unter den Leitthemen zu Beginn der Ballade auch das „Holländermotiv“, welches im Laufe der Oper jedes Mal erklingt wenn vom Holländer oder seinem Fluch die Rede ist. Lautmalerisch unterstützt das Orchester die Handlung und die berühmte Ballade setzt unter dem von Blechbläsern gespielten Motiv ein. Das intensive Streichertremolo, basierend auf der schnellen Wiederholung eines Tones ohne Rücksicht auf den Takt, erzeugt beim Hörer die Vision des aufgepeitschten Meeres über welches das Geisterschiff gleitet:
Ein weiteres Hauptthema ist die Erlösung, die mit der Figur der Senta assoziiert wird. Auch dieses Thema begleitet jede Szene, in der von Erlösung gesprochen wird oder in der sie eine Rolle spielt. Als Senta von der Erlösung singt, beruhigt sich die Stimmung und nimmt einen schmerzlich-süßen Ton an:
In der dritten Strophe steigert sich Senta so stark in ihren Wunsch den Holländer zu erlösen, dass sie vor lauter Erschütterung bei dem Gedanken an sein Schicksal beinahe ohnmächtig wird. Begleitet wird dieses Geschehen erneut vom Tremolo des Orchesters und schließlich vom Mädchenchor, der das Erlösungsmotiv übernimmt. Zum Ende der Ballade erreicht Sentas Ekstase ihren Höhepunkt und sie schwört sich den Holländer zu befreien: mit ihrem Ausruf „Ach! Wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe, Allewiger, durch mich nur sei’s“ erschüttert sie alle Anwesenden zutiefst.
Verhandlungen, Missverständnisse, Verwirrungen – Richard Wagners Meisterstück gipfelt in einem allzu tragischen Ende und hinterlässt die schicksalhafte Frage: Wie weit würde man gehen, für die Person, die man liebt?
Titelbild: Brinkhoff/Mögenburg