Silvesternacht von Johannes Harneit

Eine faustische Uraufführung von Johannes Harneit – dunkel, mysteriös, beschwingt – wie im Rausch einer nie enden wollenden Nacht.

Das Jahresende rückt näher und mit ihm die besondere Zeit „zwischen den Jahren“, Augenblicke der Ruhe Das Jahresende rückt näher und mit ihm die Nacht des 31. Dezember, in dem die besondere Zeit „zwischen den Jahren“ in knallenden Sektkorken und Feuerzangenbowle kulminiert, in Bleigießen und Marzipanschweinchen und einem strahlenden Feuerwerk über der Elbe – auf das die bösen Geister vertrieben seien, so der ursprüngliche Gedanke. Gefeiert wird hierzulande gern mit Raclette oder Fondue, in Italien vorzugsweise in roter Unterwäsche – Glück in der Liebe –, in Japan mit Mochis (kleinen Kuchen aus Klebreis), auf schottische Art mit Whisky, Rosinenbrot und einem Stück Kohle um die Häuser ziehend, oder norddeutsch mit Rummelpott.

Auch im Theater hat sich manche Tradition etabliert: Mit der Strauß’schen Fledermaus steht zwischen den Jahren in Hamburg einer der Klassiker auf dem Spielplan. Aus dem Jahr hinaus wird am 31. Dezember allerdings getanzt, Der Nussknacker, und feierlich ein Programm der Vergangenheit und Gegenwart mit Auch im Theater hat sich manche Tradition etabliert: Mit der Strauß’schen Fledermaus steht in Hamburg zwischen den Jahren einer der Klassiker auf dem Spielplan. Aus dem Jahr hinaus wird am 31. allerdings getanzt, Der Nussknacker, und feierlich ein Programm der Vergangenheit und Gegenwart mit Kent Nagano in der Elbphilharmonie musiziert, bevor Die Zauberflöte uns am 1. Januar den Weg ins neue Jahr weist.

Foto: Niklas Marc Heinecke

Fünf Tage nachdem der große Trubel vorbei ist, steht uns eine weitere Silvesternacht bevor. Gereift zwischen all den Feiertagen betritt ein neues Werk die Bühne der opera stabile: ein Abend der Zeitreisen, der Identitätssuche und der „musikalischen Gäste“ wie Komponist Johannes Harneit die Referenzen vergangener Jahrhunderte in seiner Uraufführung nennt. Nachdem er mit seiner letzten Hamburger Uraufführung Ichundich das Drama der Dichterin Else Lasker-Schüler „in ein schillerndes Klanggewand gehüllt“ hat (so der Deutschlandfunk), gilt es nun den Spuren des Juristen, Malers, Romanciers, Kritikers, Kapellmeisters und Komponisten E.T.A. Hoffmanns in eine Berliner Silvesternacht des Jahres 1814 zu folgen. Librettistin Liz Arends formte dessen Novelle Die Abenteuer der Sylvesternacht zu einem Musiktheatertext in drei Szenen. Hier treffen Menschen in Liebeskummer, Sorge um verlorene Fünf Tage nachdem der große Trubel vorbei ist, steht uns eine weitere Silvesternacht bevor. Gereift zwischen all den Feiertagen betritt ein neues Werk die Bühne der opera stabile: ein Abend der Zeitreisen, der Identitätssuche und der „musikalischen Gäste“, wie Komponist Johannes Harneit die Referenzen vergangener Jahrhunderte in seiner Uraufführung nennt. Nachdem er mit seiner letzten Hamburger Uraufführung Ichundich das Drama der Dichterin Else Lasker-Schüler „in ein schillerndes Klanggewand gehüllt“ hat (so der Deutschlandfunk), gilt es nun den Spuren des Juristen, Malers, Romanciers, Kritikers, Kapellmeisters und Komponisten E. T. A. Hoffmann in eine Berliner Silvesternacht des Jahres 1814 zu folgen. Librettistin Lis Arends formte dessen Novelle Die Abenteuer der Sylvesternacht zu einem Musiktheatertext in drei Szenen. Hier treffen Menschen in Liebeskummer, Sorge um verlorene Spiegelbilder und noch schlimmer: Verzweiflung über den abhandengekommenen Schlagschatten aufeinander – bei süffiger musikalischer wie kulinarischer Unterhaltung versteht sich. Was höchst verwirrend anmutet, löst sich in Doppelgängern, mephisto- phelischen Fallstricken – „Wie viele Haken hat der Teufel überall für uns eingeschlagen, in Zimmerwänden, Lauben, Rosenhecken, woran vorbeistreifend wir etwas von unserm teuren Selbst hängen lassen“ – und Träumen auf.

Foto: Michael Klaffke

Mart van Berckel, Regisseur:

Auf den ersten Blick ist es eine verrückte Geschichte, ein wildes, dunkles Märchen – aber auch so viel mehr. Ich interpretiere es als faustische Allegorie, eine Verführungsgeschichte mit komplexen Doppelgänger-Motiven, Spiegelungen und Geschichten innerhalb von Geschichten. Für mich stellt das Stück poetische und existenzielle Fragen: Wer bin ich? Wie sehe ich mich – und wie erfahre ich die Wahrheit über die Welt um mich herum? Es ist eine perfekte Geschichte nach den Feiertagen, wo wir dazu tendieren, zurückzublicken und uns für das neue Jahr „neu zu erfinden“. Die Musik von Johannes Harneit erzählt diese Geschichte auf brillante Art und Weise, und ist genauso einfallsreich: Sie ist eklektisch, wild und supertheatralisch – wie ein witziger Albtraum. Diese Silvesternacht kann die Opern-Neujahrsparty werden, die Sie nicht verpassen sollten!

Foto: Niklas Marc Heinecke

Johannes Harneit, Komponist und Musikalischer Leiter:

Silvesternacht ist eine Eigenkomposition unter Einbeziehung musikalischer Gäste:
Das 1. Bild spielt in der Silvesternacht 1814/15 in einem Berliner Salon, bei der E. T. A. Hoffmann selbst anwesend war. Der in seiner Novelle genannte „fremde Virtuose namens Berger“ hat tatsächlich existiert: Ludwig Berger, der sich (wie Beethoven) Luigi nannte, war ein Schüler von Muzio Clementi (dessen 1. Satz aus der „Zauberflötensonate“ er in unserem Stück vorträgt). Später spielt er eine freie Variation eines eigenen Goethe-Liedes („Trost in Thränen“) und schließlich – wie bei Hoffmann beschrieben: „das Andante aus Mozarts sublimer Es-Dur Sinfonie.“
Im 2. Bild, das in einer Berliner Kellerkneipe spielt, hört man zu Beginn die Tirade eines recht nationalistisch gesinnten Wirtes, die der Erstfassung von Hoffmanns Novelle entnommen wurde und der ersten Interpretin Gabriele Rossmanith in Dankbarkeit zugeeignet ist.
Im letzten Bild verwirren sich Realität und Identität der Figuren mehr und mehr. Zur Hervorhebung der Traum-Sequenzen betreten zwei neue musikalische Gäste der französischen Hochromantik den Klangraum: Charles Valentin Alkan sowie ein Kölner Meister, dessen Friedensoper Die Rheinnixen ein späterer Welterfolg entnommen wurde. Spätestens hier geraten Zeiten, Räume und innere Welten hoffentlich endgültig in neue Verhältnisse zueinander.

Foto: Niklas Marc Heinecke

Vera Selhorst, Bühnenbildnerin:

Ich stecke mitten in den Vorbereitungen, in enger Zusammenarbeit mit den Werkstätten der Staatsoper, und langsam erwacht die Welt der Silvesternacht zum Leben. Zum Beispiel: 300 Quadratmeter Teppichfliesen werden sorgfältig mit einem subtilen Linienmuster dekoriert, das die opera stabile in einen gesichtslosen Ort verwandeln wird: Dies ist eine Bühne für viele Welten, Traumbilder und Überraschungen. Für mich ist das die Magie des Theaters: diese unterschiedlichen Welten lebendig zu machen. Mit sehr akIch stecke mitten in den Vorbereitungen, in enger Zusammenarbeit mit den Werkstätten der Staatsoper, und langsam erwacht die Welt der Silvesternacht zum Leben. Zum Beispiel: 300 Quadratmeter Teppichfliesen werden sorgfältig mit einem subtilen
Linienmuster dekoriert, das die opera stabile in einen gesichtslosen Ort verwandeln wird: Dies ist eine Bühne für viele Welten, Traumbilder und Überraschungen. Für mich ist das die Magie des Theaters: diese unterschiedlichen Welten lebendig zu machen. Mit sehr akkuratem Lichtdesign hoffe ich, schöne Bilder zu schaffen, die das Publikum in diese magischen Welten mitnehmen.

Foto: Michael Klaffke

Joris Suk von MAISON the FAUX, Kostümbildner:

Mein Kostümdesign für die Silvesternacht ist wie das Stück selbst: voller Absurdität, Eklektizismus und Exzess. Das Kostümdesign für diese Produktion ist auch eine Hommage an die große Geschichte der Staatsoper: Ich tauche in ihren Fundus alter Stoffe und Kostüme ein und recycle Stoffe und Kleider zu neuen Looks. Die Kostüme sind voller Kontraste und Überraschungen. Es ist ein komplexes Spiel mit Querverweisen, Formen, Farben – ein Balanceakt zwischen Sinn und Unsinn. Darin besteht die Herausforderung!

Text von Janina Zell