Hummel Hummel – Mors Mors: Sopranistin trifft Maskenbildner
Was machen eine Sopranistin und ein Maskenbildner 20 Minuten vor Vorstellungsbeginn? Durch welche Menschen wurden sie während ihrer Karriere inspiriert? Das und vieles mehr wollten wir für diese Ausgabe von „Hummel Hummel – Mors Mors“ von Lini Gong, die zurzeit bei uns als Asja Lacis in BENJAMIN zu Gast ist, und Dennis Peschke wissen…
Was unterscheidet BENJAMIN von anderen Opernproduktionen, an denen du mitgewirkt hast?
Lini Gong: Für mich ist BENJAMIN in vielerlei Hinsicht eine besondere Produktion: Einerseits weil Peter Ruzicka mich vor ein paar Jahren angesprochen hat, dass er eine Rolle für mich komponieren möchte. Darüber habe ich mich natürlich riesig gefreut! Zweitens war ich während meines Gesangsstudiums regelmäßig als Zuschauer in der Staatsoper und habe mir oft gedacht: „Wenn ich fleißig bin, stehe ich vielleicht auch mal da oben auf der Bühne.“ Dieser Traum ist jetzt wahr geworden! Und außerdem spiele ich mit Asja L. eine Kommunistin. Da ich im kommunistischen China aufgewachsen bin, kamen in den Proben plötzlich viele Erinnerungen aus meiner Kindheit hoch. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine Vorherbestimmung, dass ich nun diese Partie singe.
Dennis Peschke: Eigentlich ist jede Neuproduktion etwas Besonderes, denn auf jedes Regieteam muss man sich neu einstellen. Das Spezielle an einer Uraufführung ist natürlich, dass man noch gar nicht abschätzen kann, was musikalisch passiert. Man kennt höchstens den Komponisten und die vorherigen Arbeiten, ansonsten darf man sich jedoch überraschen lassen. Bei einer Neuinszenierung einer bekannten Oper, kennt man in der Regel das Werk und hat schon ein ungefähres Gefühl für das, was da auf einen zukommt…
Es sind noch 20 Minuten bis zum Beginn der Vorstellung. Wo bist du und was machst du gerade?
Dennis: Wenn ich selbst im Vorstellungsdienst bin, dann schminke ich 20 Minuten bevor sich der Vorhang hebt, entweder einen männlichen Solisten oder ich hoffe, dass er noch pünktlich kommt! (lacht) Wenn ich selbst nicht schminken muss und parallel zu einer Vorstellung Dienst habe, gehe ich gerne noch einmal durch die Garderoben und sehe nach, ob bei den Kollegen alles in Ordnung ist. Und bei großen Proben oder Premieren wünsche ich allen natürlich „toi toi toi“.
Lini: Ich mache vor der Vorstellung in der Garderobe meist etwas Gymnastik und Yoga, um mich zu fokussieren und Energie zu sammeln. Zusätzlich meditiere ich auch. Für BENJAMIN bin ich außerdem die besonders schweren Stellen der Partie noch einmal im Kopf durchgegangen.
Gibt es einen Menschen, der dich besonders inspiriert?
Dennis: Ich glaube, es begegnen einem im Leben immer wieder Menschen, die einen auf eine gewisse Art inspirieren. Wenn ich auf meinen beruflichen Weg der letzten Jahre zurückblicke, dann sind das vor allem Achim Freyer und Victoria Behr. Natürlich zählt dazu auch Reinhard von der Thannen, bei dem ich Kostümbild studiert habe.
Lini: Eine Frau, die mich sehr beeinflusst hat und mir die Augen geöffnet hat, ist die Tänzerin und Choreografin Pina Bausch. Wie sie früher getanzt hat, wie sie ihre Kompanie in Wuppertal gegründet hat – das beeindruckte mich sehr. Ich habe von ihr gelernt, dass man etwas auf der Bühne nicht tut, weil es schön aussieht oder weil es so im Libretto steht. Die entscheidende Frage ist, welches Gefühl hinter der Handlung steht. Darum frage ich mich vor szenischen Proben immer: Wer ist meine Figur? Wie alt ist sie? Wo kommt sie her? Das hilft mir, mich mit meiner Rolle zu identifizieren.
Früh oder spät?
Dennis: Ich bin ein Frühaufsteher! Ich finde es toll, wenn man morgens noch ein oder zwei Stunden Zeit hat, um etwas zu erledigen oder Sport zu machen. So startet man ganz anders in den Tag!
Lini: Ich wache auch sehr früh auf und auch meine Noten möchte ich zum Beispiel immer möglichst früh haben, damit ich mich rechtzeitig auf eine neue Partie vorbereiten kann (lacht).
Herz oder Kopf?
Lini: Der Kopf regiert den Körper! Meine chinesische Ärztin sagt: „Wenn dein Kopf gesund ist, bist du gesund.“ Viele Krankheiten entstehen durch zu viel Stress. Der Kopf entscheidet also im Endeffekt über die innere Balance und den Lebensrhythmus.
Dennis: Ich glaube, man kann das gar nicht so leicht trennen – beides bedingt sich ganz stark. Grundsätzlich bin ich auch eher ein Kopfmensch, grüble oft und denke an tausend Dinge gleichzeitig. Aber in Bezug auf den Job am Theater können wir, denke ich, alle sagen, dass wir mit ganzem Herzen dabei sind (lacht).
Lässig oder glamourös?
Dennis: Auch hier würde ich sagen, das Eine kann nicht ohne das Andere. Glamour ist nicht meine Welt, obwohl es auch zum Job gehört. Ich fühle mich in meiner Rolle hinter der Bühne sehr wohl und möchte nicht unbedingt ins Rampenlicht. Also bin ich eindeutig für „lässig“.
Lini: Ich glaube, locker zu sein ist in vielen Lebenslagen von Vorteil. Ich singe definitiv besser, wenn ich entspannt bin. Beim Kung-Fu gilt auch: Je relaxter man ist, desto stärker ist man. Die Bewegungen sind erst sanft und weich wie Luft und Wasser und dadurch umso schneller und kraftvoller.
Frage von Dennis an Lini: War es für dich schon immer klar, dass du Sängerin sein möchtest?
Lini: Nein, eigentlich wollte ich Pianistin werden. Als Kind habe ich sehr fleißig Klavier geübt, bis mir eine Pianistin von der Hochschule gesagt hat, ich hätte keinerlei Talent. Dann wollte ich erst einmal nichts mehr mit Musik zu tun haben. Mit zwölf Jahren habe ich dann ein Lied aus dem Fernsehen nachgesungen und meine Mutter hat entdeckt, dass ich eine schöne Stimme habe. Sie hat dann eine Sängerin kontaktiert und sie gebeten, mich zu unterrichten. Ab dann fing das Singen an mir große Freude zu machen.
Ursprünglich wollte ich aber nicht Opern-, sondern Liedsängerin werden. Über Umwege ist es dann doch anders gekommen (lacht).
Frage von Lini an Dennis: Hast du jemals einen Superstar geschminkt? Eine richtige Diva?
Dennis: Nein, bisher nicht. Im bin vor allem auf der Herrenseite tätig und ich muss sagen, dass die Leute, die sehr bekannt sind und mit denen ich bisher zu tun hatte, meistens unglaublich entspannt sind. Man darf sich in solchen Situationen auch nicht verrückt machen und vor Ehrfurcht erstarren. Ja, das sind bekannte Stars, aber letztendlich sind sie für mich als Maskenbildner auch nur ein Gesicht mit Haaren dran, zwei Augen und einem Mund (lacht).
Lini Gong
Die chinesische Sopranistin Lini Gong studierte Gesang in Shanghai und Hamburg. Engagements führten sie bereits ans Theater Freiburg, zu den Luzerner Festspielen, an die Stuttgarter Staatsoper, ans Theater Kiel, ans Theater Basel, zur Münchner Opernbiennale, den Schwetzinger Festspielen und ans Nationaltheater Weimar.
Lini Gons Repertoire reicht vom klassischen Opernrepertoire bis zur Neuen Musik. So war sie bereits u.a. in den Uraufführungen von „Das geopferte Leben“ und „Wilde“ von Hèctor Parra sowie in „Hölderlin – Eine Expedition“ von Peter Ruzicka zu hören. In der Spielzeit 2017/18 ist sie u.a. an der Hamburgischen Staatsoper als Asja L. in Ruzickas Oper „Benjamin“ sowie als Juli in Samuel Penderbaynes „I.th.Ak.A.“ besetzt.
Dennis Peschke
Der gebürtige Berliner studierte von 2014 bis 2017 unter Professor Reinhard von der Thannen Kostümdesign an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Bereits während seines Studiums gestaltete er das Kostümbild für zahlreiche Produktionen in den Sparten Oper, Musical, Ballett und Schauspiel.
Dennis Peschke absolvierte in den Jahren 2007 bis 2010 eine Ausbildung zum Maskenbildner an der Staatsoper Hamburg und wurde mit dem „Baden-Baden Award 2010“ von der IHK ausgezeichnet. Seit Juni 2017 ist er stellvertretender Chefmaskenbildner an der Staatsoper Hamburg. Darüber hinaus ist er u.a. an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg als Gastdozent tätig.