Im Gespräch mit: Hans Peter Boecker
Das Unmögliche möglich gemacht: Der langjährige Technische Direktor Hans Peter Boecker geht in den Ruhestand
Fast 20 Jahre lang hat Hans Peter Boecker in der Staatsoper möglich gemacht, was unmöglich erschien: die Bohemiens verschwinden mitsamt einem riesigen Mietshaus in der Versenkung, in der Walküre lodert ein 12 Meter langes Feuer und über die Troyaner ergießen sich 600 Liter Theaterblut – Technik, die begeistert!
Dabei waren die größten Herausforderungen meist diejenigen, die für den Zuschauer ganz einfach aussehen: Den Märtyrertod der Nonnen in den „Dialogues des Carmélites“ illustrieren herabfallende Stoffbahnen – dahinter stecken hochkomplizierte Kulissenfahrten. Und im Rheingold? „Für einen Umbau hinter geschlossenem Vorhang lässt uns die Musik genau 2 Minuten 30 Sekunden Zeit, im Schnitt schaffen wir die Verwandlung in 2 Minuten 16.“ Boecker ist sichtlich stolz auf die unzähligen „Lösungen“, die er gemeinsam mit seinen 230 technischen Mitarbeitern für 89 Opernneuproduktionen und 33 Ballettpremieren im Großen Haus gefunden hat und mit denen er den Fantasien der Bühnenbildner Flügel verleihen konnte. Dabei durfte er nie das große Ganze aus den Augen verlieren.
„Für einen Umbau hinter geschlossenem Vorhang lässt uns die Musik genau 2 Minuten 30 Sekunden Zeit, im Schnitt schaffen wir die Verwandlung in 2 Minuten 16.“
Für die Logistik des gesamten Betriebs zuständig, mussten seine Planungen weitreichend sein: Er koordinierte die technischen Abläufe von über 60 Opern und noch einmal so vielen Balletten, die zum Repertoire gehören. Wie viele der sieben Hubpodien können verwendet werden? Steht die Drehbühne zur Verfügung? Wie lange dürfen Aufbau, Umbau und Abbau dauern, damit die Hauptbühne am nächsten Morgen wieder für Proben genutzt werden kann? Hans Peter Boecker musste abwägen, was geht – und hat so auf Spielplangestaltung, Probendisposition und Umfang der Neuproduktionen maßgeblichen Einfluss genommen. Seine Diplomatie war gefragt, wenn er die eine oder andere Idee der Produktionsteams zurechtstutzen musste.
Nachhaltig wird er der Hamburger Oper durch zahlreiche bauliche Projekte, die er gemeinsam mit dem Geschäftsführenden Direktor Detlef Meierjohann auf den Weg gebracht hat, ein Vermächtnis hinterlassen: Mit dem Neubau des Betriebsgebäudes zwischen 2001 und 2005 wurden 8500 zusätzliche Quadratmeter den logistischen und probentechnischen Anforderungen eines so großen Opernhauses endlich gerecht. Bei laufendem Spielbetrieb hat er den 37 Millionenbau gestemmt und Interimslösungen in der Oberpostdirektion für Kostüm, Verwaltung und Lagerräume gefunden. Kurz nach seiner Fertigstellung stürzte sich Boecker in die Sanierung des Vorderhauses und der Fassade des Altbaus. Seit 2012 plant und realisiert er den Neubau der Werkstätten und Lagerräume in Rothenburgsort.
Bis zur Eröffnung des Kulissenfundus Ende Oktober 2017 wird er das Projekt begleiten. Nach einem Lehramtsstudium kam Hans Peter Boecker als Quereinsteiger ans Theater – einen Studiengang der Veranstaltungstechnik gab es damals noch nicht. Als Technischer Direktor amtierte er in Bonn, in Frankfurt und seit 1999 in Hamburg – 28 Jahre insgesamt. Wenn er sich zum Ende der Spielzeit mit 66 Jahren in den Ruhestand verabschieden wird, geht er mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Die Verwaltung der Unwägbarkeiten“ wird er vermissen, aber endlich bleibt Zeit für all das, was die ganzen Jahre über zu kurz gekommen ist: die Familie, lange Reisen und ein hoher Bücherstapel.
Wir wünschen für den wohlverdienten Ruhestand alles Gute!