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„Luisa Miller“: Kantilenen und Herzenstöne

Luisa Miller“ in der Inszenierung von Andreas Homoki kehrt mit Sängerstars in den Hauptrollen zurück.

In Giuseppe Verdis Jugend war Friedrich Schiller nicht nur der bedeutendste Dramatiker der jüngsten Vergangenheit, sondern auch der prominenteste der Dichter, die in ihren Werken Demokratie und politische Freiheit verfochten. Gerade dadurch dürften Schillers Werke die jungen italienischen Patrioten angesprochen haben, die sich dem Geist des „Risorgimento“ verpflichtet fühlten, dem Streben nach Demokratie und nationaler Einigung. In der Zeit zwischen 1845 und dem Revolutionsjahr 1848 realisierte Verdi mit „Giovanna d’Arco“ (Die Jungfrau von Orleans), „I Masnadieri“ (Die Räuber) und „Luisa Miller“ (Kabale und Liebe) drei Dramenstoffe des deutschen Schriftstellers für die Opernbühne. Letzterer bot ihm sozialen Zündstoff und gesellschaftliche Konflikte, vor allem aber die Vater-Tochter-Beziehung, diezum zentralen Motiv seiner späteren Opern werden sollte.

Luisa Miller

© Monika Rittershaus

Rigoletto, Boccanegra, Giorgio Germont und Amonasro kündigten sich in der Figur des Miller an, Gilda, Violetta und Desdemona waren in Luisa vorgeformt. Dramatisch zugespitzt wird die Konstellation von gefühlvoller Tochter und unbeugsamem Vater in „Luisa Miller“ durch eine weitere Vater-Kind-Beziehung, die des Grafen Walter und seinem Sohn Rodolfo, was an den späten „Don Carlo“ erinnert. Und komplettiert wird das Opernpersonal durch den Intriganten Wurm, der zum Vorbild für Jago und Paolo Albiani wurde, und die kuriose Figur der Federica von Ostheim. Zu Unrecht geriet „Luisa Miller“ wegen der Meisterschaft von Verdis späteren Opern etwas in Vergessenheit, die Metropolitan Opera unterstellte ihr sogar Schüchternheit, so selten, wie sie sich auf die Bühne traue. Auch die Hamburger mussten 30 Jahre lang ohne eine Luisa im Repertoire auskommen. Die letzte Produktion von 1981 hielt sich trotz so großartiger Sängerdarsteller wie José Carreras, Katia Ricciarelli oder Leo Nucci und Giuseppe Sinopoli am Pult nur drei Jahre im Spielplan.

In Andreas Homokis gefeierter Inszenierung von 2014 brilliert nun eine jüngere Generation von Sängerstars, allen voran Joseph Calleja, der in die Rolle des jungen aufgeklärten Rodolfo schlüpft. Luisas Geliebter wurde nicht nur wegen seiner wirkungsvollen Arie „Quando le sere al placido“ zu einer der schönsten Tenorfiguren Verdis. Durch außergewöhnliche Gesangslinien gewinnt er unsere Sympathie, auch wenn er seinen Vater erpresst, Wurm in ein Duell auf Leben undTod zwingt und schließlich zum Mörder an seiner Geliebten wird. Der aus Malta stammende Weltstar Calleja, der seine Freizeit gerne dem Tauchen und Tiefseefischen opfert und auf den in seinem Zuhause neben Hunden, Katzen, Vögeln und zwei Haien 2400 Flaschen Bordeaux warten, singt die wichtigen Verdi- und Puccinipartien rund um den Globus, ist an der MET und in Covent Garden London genauso beheimatet wie an der Bayerischen Staatsoper und den wichtigsten italienischen Häusern. Nun kehrt er nach einem umjubelten „Rigoletto“-Herzog 2008 wieder in die Hansestadt zurück. Als sein machtbesessener Vater Graf Walter gibt Vitalij Kowaljow sein Debüt an der Alster.

Luisa Miller

© Monika Rittershaus

Der ukrainische Bassist fand erst über Umwege auf die größten Bühnen der Welt: Er arbeitete als Mechaniker und Feuerwehrmann und wurde im Militärdienst mit der Roten Armee an den Nordpol versetzt, bevor er 1999 – gemeinsam mit Calleja – den CulturArte Preis bei Plácido Domingos Operalia Wettbewerb gewann, der ihm den Weg in die bedeutendsten Opernhäuser ebnete. Dem Rollencharakter entsprechend zeichnete Verdi die Figur des Grafen musikalisch bedeutend kantiger und konventioneller als die seines Gegenspielers Miller. Letzterer ist der gefühlvollere Vater, Verdi hat ihn mit einer ungleich ausdrucksstärkeren Musik versehen. Im Frühjahr 2016 bewies Roberto Frontali dem Hamburger Publikum bereits eindrucksvoll, dass ihm diese Partie wie auf den Leib geschrieben ist. Und mit Nino Machaidze in der Titelpartie kehrt auch keine Unbekannte an die Dammtorstraße zurück. „Anmutig und darstellerisch sehr eindringlich…, fein schwingende Kantilenen und betörend sanfte Herzenstöne“, attestierte ihr die „Opernwelt“ nach ihrer Interpretation der Luisa in der Premierenserie.

Daniela Becker, Dramaturgie