Opernreise 2018 - Südfrankreich

Opernreise im Juli 2018: Südfrankreich

In der diesjährigen Ausgabe berichtet unser Leiter des Internationalen Opernstudios, Christoph Böhmke, über die Studiosus-Reise zusammen mit unseren Abonnenten in den sonnigen Süden Frankreichs.

Tag 1: Ankunft, Marseille, Avignon

Am Gate 72 am Münchener Flughafen lerne ich meine Reisegruppe kennen. Zum ersten Mal bin ich Teil einer geführten Gruppe. Schnell merke ich: man kennt sich hier. Eine beinahe familiäre Konstellation von 18 kulturbegeisterten Menschen, die viele gemeinsame Erlebnisse in Chicago, Moskau oder Mailand miteinander teilen. Miteinander! Miteinander werden wir nun sein für die kommenden sechs Tage. Im Bus, im Hotel, bei den Aufführungen.
In Marseille werden wir von unserer Reisebegleiterin in Empfang genommen. Man kümmert sich; ein Rundum-Sorglos-Paket: der Audio-Guide wird zum wichtigen Vehikel der Verständigung; zumindest one-way. Und ich als Neuer in der „Familie“ teile mir meinen Audio-Guide, bzw. das Akku-Ladegerät desselben mit der bezaubernden Frau Schwiebert! Das Eis ist gebrochen: unser erster gemeinsamer Pastisse in der Altstadt von Avignon ist die logische Konsequenz dieser „Schicksalsgemeinschaft“. Als der erste Tag zur Neige geht, habe ich mit fast allen Teilnehmern der Gruppe bereits vorzügliche Gespräche geführt: über die Oper, die Elbphilharmonie, Maestro Nagano UND über den Einzug von Kroatien ins Finale der Fußballweltmeisterschaft!

Tag 2: Avignon, Pont du Gard, Aix-en-Provence

Am nächsten Morgen brechen wir auf in die Altstadt von Avignon. Das Theaterfestival ist allerorts präsent und erschwert es unserer zauberhaften Reiseleiterin die Gruppe zusammenzuhalten. Eine Gruppe der vielen Geschwindigkeiten: hier ein Photo, da ein Eis: wo ist Frau Ruf? Die kauft Lavendel… Auf der Pont d’Avignon dann ein erster Blick auf die mittelalterliche Kulisse der Papst-Stadt. Nach einem ersten Gruppenphoto geht es weiter zum Papstpalast. „Wir bilden mal den Abschluss“, sagt Frau Schwiebert, „dann hat Niemand den Eindruck, er bliebe zurück“. Gemeinsam tauchen wir ein in die Wohnstätte der Päpste von Avignon; zu unserem Audio-Guide gesellt sich ein Multimedia-Tablett, ebenfalls mit Kopfhörer. Ich verzweifele an den technischen Anforderungen; meine Mitreisenden hingegen lassen sich treiben und sind fasziniert von den imposanten Räumen der Papst-Burg. Tablett hin oder her. Am Mittag geht es mit dem Bus weiter zum Pont Du Gard, wo ein Picknick mit lokalen Köstlichkeiten auf uns wartet. Sechs Liter Wein sind schnell geleert; gemeinsam spazieren wir mit unseren verschiedenen Geschwindigkeiten umher und sind beeindruckt von den eintausendjährigen Olivenbäumen. Am Abend sind wir in Aix-en-Provence: „Dido und Aeneas“ open-air und das um 22.00 Uhr bei angenehmen 26 Grad! Die Stimmung könnte besser nicht sein. Auf der Rückfahrt sitze ich neben Herrn Döring. Er erzählt mir von seiner Begeisterung für die Oper: wie er bei der Kinderlandverschickung nach Bayreuth kam und dann nach dem Krieg im zerstörten Hamburg gleich sechs Mal in vierzehn Tagen den Tristan hörte. Auf einem Stehplatz für eine Mark im Schauspielhaus. Er brennt für diese seine Leidenschaft – noch immer. Herrlich!

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Tag 3: Aix-en-Provence

Der Zeitplan für den dritten Tag unserer Reise ist stramm durchgetaktet: um 09.30 Uhr brechen wir auf nach Aix-en-Provence, jedoch nicht ohne eine strenge Ermahnung der Reiseleitung, doch bitte pünktlicher zu sein. In Aix streifen wir durch die Gassen der Altstadt und besichtigen die Kathedrale, deren Kreuzgang sowie die Taufkapelle aus dem 5. Jahrhundert. Die Hüterin der Kirche ermöglicht es uns, einen Blick auf die mittelalterlichen, der Öffentlichkeit meist nicht zugänglichen, Hauptportale mit ihren reichen Verzierungen zu werfen. Zur Mittagspause wird aus Frau Schwiebert Melanie: wir sitzen im Straßencafé und freuen uns des Lebens. Im örtlichen Museum pilgern wir zu den wenigen Exponaten von Paul Cézanne, dem bedeutendstem Sohn der Stadt, bevor es zu Fuß bei über 30 Grad im Schatten zu seinem Atelier am Stadtrand geht. Zurück im Stadtzentrum stärken wir uns bei einem frühen Abendessen für den Höhepunkt des Tages: Die Aufführung von Prokofjews „Feuerengel“. So recht weiß niemand in der Gruppe, was uns da erwartet. Dank der fachkundigen Einführungen von Richard Eckstein, den die meisten liebevoll Riccardo nennen, ahnen wir jedoch, dass uns ein nicht alltäglicher Opernabend bevorsteht. Eine Geschichte aus dem mittelalterlichen Köln, mit Erscheinungen, Visionen, Doktor Faust und Mephisto. Das „Orchestre de Paris“ im Graben spielt auf, wir sind beinahe erschlagen von den Bildern auf der Bühne. Nach der Aufführung im Bus zurück nach Avignon tritt kaum einer aus der Gruppe an das Bus-Mikrophon, um seine Eindrücke zu schildern. Alle sind fasziniert, schockiert oder fassungslos. Berührt sind wir alle – irgendwie. Dieser Opernabend hinterlässt Spuren!

Tag 4: Cassis, Aix-en-Provence

Am Nationalfeiertag starten wir erst um 13.00 Uhr. Gut. Ausschlafen, denke ich. Meine Mitreisenden, alle deutlich älter als ich, scheinen die Anstrengungen der Reise besser wegzustecken. Wir fahren ans Meer in das malerische Fischerdorf Cassis. Dort, beim beinahe schon obligatorischen Pastisse wird aus Frau Ruf Renate. Die Gruppe hat mich aufgenommen. Ich fühle mich als Teil dieser Familie auf Zeit. Wir fahren hinaus auf hohe See und schippern in traumhafte Buchten. Frau Albrecht ist verzückt von so viel Schönheit und in der Tat: an diesem Fleckchen Erde hat sich der liebe Herrgott besonders viel Mühe gegeben. Wir fahren weiter nach Aix, wo ich die vielleicht beste Bouillabaisse meines Lebens esse, bevor wir durch die Stadt zum erzbischöflichen Palais spazieren. Am zentralen Platz der Stadt wird aufgespielt, die Bevölkerung feiert sich und die Trikolore. Ja, und es wären wohl einige Mitglieder unserer Gruppe lieber dortgeblieben und hätten ihr Tanzbein geschwungen als Richard Strauss‘ Meisterwerk „Ariadne auf Naxos“ zu hören. Spätestens zur Pause ist jedoch Allen klar: diese Aufführung wird das Highlight unserer Reise sein. Eine Besetzung der Sonderklasse in einer intelligenten Regie. Trotz der Müdigkeit, die uns alle um 00.30 Uhr erfasst, als wir in den Bus zurück nach Avignon steigen, sind alle beseelt und sprechen noch lange über das Erlebte.

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Tag 5: Vallon Pont-d’Arc

Ausschlafen! Nach der späten Rückkehr nach Avignon und den Eindrücken aus Strauss‘ Meisterwerk tut es gut, ein wenig Ruhe zu finden bevor wir uns aufmachen zu einem Ausflug der Sonderklasse. Vorbei an Lavendelfeldern und entlang romantischer Straßen erreichen wir am Nachmittag den Nachbau der Höhle von Vallon Pont-d’Arc. Bei 34 Grad ist der Besuch auch rein klimatisch eine willkommene Abwechslung. Im Inneren der Höhle glauben wir uns zurückversetzt in die Zeit dieser Höhlenkünstler, die Wildpferde und Wisente mit höchster Kunstfertigkeit an die Wände der Höhle malten. Wir sind beeindruckt von diesen Meisterwerken und erfreuen uns an der Tatsache, dass uns aufgrund der Finales der Fußballweltmeisterschaft die „Höhle“ fast alleine gehört. Zurück in Avignon erleben wir den Freudentaumel der Franzosen über die gewonnene Weltmeisterschaft hautnah: Beim Abendessen am Papstpalast in Avignon werden wir Teil der jubelnden Menge.

Tag 6: Châteauneuf-du-Pape, Orange

Und schon ist der da: der letzte Tag in der Provence: Es regnet und das nicht zu knapp. Die Hitze weicht der Schwüle, die nur schwer zu ertragen ist. Wie schön, dass wir mit unserem klimatisierten Reisebus unterwegs sind zur Sommerresidenz des Papstes. Zum Châteauneuf-du-Pape. Natürlich hat Herr Döring die Preisfrage richtig beantwortet: in welcher Oper kommt ein gewisser Châteauneuf-du-Pape vor? Na? Lortzings „Zar und Zimmermann“. Es gibt 5% Discount auf die nächste Reise von Herrn Döring und auch wenn er betont, dies sei seine letzte gewesen: mit 90 Jahren wird er es im kommenden Jahr noch einmal wissen wollen. Wir fahren durch malerische Weinberge weiter in Richtung Orange und erkunden die römischen Funde der Stadt. Beim Triumphbogen stolpern wir in den Starpianisten Jan Liesiecki, der mit seinen Eltern auf Durchreise ist und laben uns am Nachmittag an einem vorzüglichen Menü. Die Aufführung von Maurice Béjarts Ballett „Die Zauberflöte“ im antiken Theater der Stadt beginnt um 21.45 Uhr. Die meisten haben sich noch schnell Sitzkissen oder Sitzschalen aus Pappkarton gekauft: Knapp drei Stunden auf dem blanken Stein des antiken Theaters können unbequem sein. Und dann beginnt das Spektakel mit einer Aufnahme unter Karl Böhm von 1964. „Die Zauberflöte“ in der eindrucksvollen Choreographie des Ballettmeisters Maurice Béjart verzaubert uns: wir erleben Mozarts Meisterwerk neu, sind begeistert, amüsiert und vor allem gebannt von dieser überzeugenden Inszenierung in einer atemberaubenden Kulisse. Mit mehr als sechstausend Besuchern harren wir aus auf den Stufen des Theaters bis der tosende Schlussapplaus in der sternenklaren Nacht verhallt. Ein würdiger Abschlussabend dieser Reise!

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Tag 7: Abreise

Der Rückflug über München nach Hamburg wird zur Geduldsprobe: auf den letzten Metern dieser schönen Unternehmung unter Freunden sehen wir uns schon stranden: Verspätungen über Verspätungen. „Dann bleiben wir eben in München! Irgendeine Hotelbar werden wir schon unsicher machen!“ Aber: wir haben Glück. Fünfzehn Minuten Umsteigezeit in München reichen aus, dass wir den Heimflug nach Hamburg antreten können. Riccardo ist in München geblieben. Die Karawane zieht weiter! Am Gepäckband in Hamburg nehmen wir Abschied: „Bis zur nächsten Reise“. Die Familie auf Zeit bricht auf in die sommerliche Nacht der Hansestadt – jeder in seine eigene Welt. Nur Frau Albrecht und ich haben noch einige Minuten miteinander: wir teilen uns ein Taxi nach Hause. Nachbarn sind wir. Um das festzustellen mussten wir bis nach Avignon reisen.

Christoph Böhmke