Peter Konwitschnys legendäre Don Carlos-Inszenierung zurück im Spielplan

Angela Beuerle erlebte schon die Premiere 2001 hinter den Kulissen. Ein Bericht.

Achtung: Kamera 1!“, „Noch 3 Minuten bis Moderation Foyer 2“, „Achtung: Noch 2 Minuten bis Ankunft Königs­paar“, „Achtung: Kamera 2“, „Ketzergruppe 3: Los“ … tönt es durch die internen Funkkanäle der Hamburgischen Staatsoper. Und dann taucht eine Fernsehmoderatorin zur Live-Moderation auf, erscheint der Lachshäppchen essende Nachbar plötzlich in Großaufnahme auf den Video-Screens, gerät man mitten im Foyer in die Kamera-umringte Ankunft eines könig­lichen Paares hinein oder wird beinahe überrannt von einer von ihren prügelnden Schergen getriebenen Gruppe verängstigter ­Gefangener. Versammelt man sich dennoch zum dritten Klingelzeichen wieder im Saal, kommt auf der Bühne zusammen, was in der Pause seinen Weg durchs Opernhaus genommen hat. Ungewollt – amüsiert, gut unterhalten oder peinlich berührt – sind alle Anwesenden Teil des Autodafés geworden, der großen Ketzerverbrennung, durch welche die spanische Inquisition noch im 16. Jahrhundert den absoluten Machtanspruch der Kirche aufs Grausamste behauptete. Vor aller Augen kulminiert bei diesem makabren Spektakel zugleich ein privates Drama: der Konflikt zwischen einem ­Vater, König Philipp II. von Spanien, und seinem Sohn und Thronfolger, Infant Carlos.

Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Als Verdi 1867 für die Pariser Oper Schillers Dramenstoff Don Karlos, Infant von Spanien zu seiner Grand opéra Don Carlos verarbeitete, wendet er sich ganz bewusst der Erzählweise und Thematik dieser großen französischen Operngattung zu, ohne dabei die Stringenz und Emotionalität seines Komponierens zu verleugnen. So wird Don Carlos zu einer großen Erzählung über die heillose Verflechtung des persönlichen Schicksals der Protagonisten mit dem großen Weltgeschehen, über die Unerbittlichkeit der Macht und die ohnmächtigen Versuche, in den Strukturen dieser Welt zu leben und zu lieben.

Das historische Drama um Philipp II. und seinen ältesten Sohn Carlos spielte sich im 16. Jahrhundert ab, was Regisseur Peter Konwitschny, als er die Oper 2001 für Hamburg inszenierte, nicht davon abhielt, alle Anwesenden in diese Verwicklungen von Macht, Herrschaft und Liebe hineinzuziehen und ihre Überzeitlichkeit – oder aber traurige Aktualität – spürbar zu machen. Der große Erfolg dieser Inszenierung sorgte dafür, dass sie außerdem an der Wiener Staatsoper und am Gran Teatre del Liceu in Barcelona zu sehen war.

Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Wobei die Inszenierung nicht von der ihr zugrundeliegenden musikalischen Fassung zu trennen ist. Erlebte diese große Oper Verdis bereits vor ihrer Uraufführung einschneidende Kürzungen – die Pariser Vorortzüge wären vom Publikum sonst nicht mehr ­erreicht worden –, wurde das Werk in der späteren italienischen Fassung gar um einen ganzen Akt gebracht. Diese in Hamburg zu erlebende Version zeigt hingegen Verdis Don Carlos beinahe ganz in der von Verdi ursprünglich konzipierten Gestalt: eine fünfaktige große französische Oper, in der sich das Geflecht der Handlung in aller Konsequenz entfaltet und sich in formidablen musikalischen Szenen in der unmittelbaren Emotionalität der Protagonisten erzählt.