Pressestimmen zu „Elektra“

Ein neues Inszenierungs-Juwel

Am 28. November 2021 hatte „Elektra“ Premiere. Richards Strauss Oper wurde von Dmitri Tcherniakov inszeniert. In der Titelpartie ist Aušrinė Stundytė. Als Elektras Schwester Chrysothemis singt und spielt Jennifer Holloway. Violetta Urmana ist als Klytämnestra zu erleben. Die Musikalische Leitung liegt bei GMD Kent Nagano.

Unmittelbar nach der Premiere titelt Concerti in der Online-Ausgabe „Dmitri Tcherniakov und Kent Nagano verständigen sich auf eine schonungslos schockierende Strauss-Lesart und bescheren der Staatsoper einen Triumph“. So fasst es Peter Krause zusammen „Tcherniakov traut sich einen Krimi-Realismus, der von der ersten bis zur letzten Minute fesselt“ und urteilt über die Titelpartie „Aušrinė Stundytė ist eine unfasslich intensive Sängerdarstellerin, die mit ihrem drahtigen Körper das neue Rollenverständnis ideal beglaubigt und auch mit den stimmlichen Erwartungen an die Strauss-Heldin bricht“. Weiter ist zu lesen „Sie (Aušrinė Stundytė ) fesselt nicht nur durch hochdramatisch herausgeschleuderte Soprantöne, sondern durch eine sensible Fokussierung einer gerade nicht genuin großen Strauss-Stimme“. Das Fazit von Peter Krause in Concerti: „Ein neues Inszenierungs-Juwel“!

Im Hamburger Abendblatt berichtet Joachim Mischke über den „Spaß an der gelungenen und oft heftig zupackenden Inszenierung“ und beschreibt, dass Nagano „sehr konkret und eher ungeschmeidig ein wirkungspralles Strauss-Spektakel entfesselte“. „Nagano vertonte vor allem den Amoklauf dieser Musik, um den Horror des Extrem-Dramas tief in Gemüt des Publikums zu rammen.“, liest man in der Rezension. Am Schluss der Besprechung steht die Aufforderung zum Vorstellungsbesuch „…sehen Sie selbst“.

In der FAZ ist von Jürgen Kesting über die Inszenierung „verstörend drastisch“ zu lesen. „War’s gedacht als Warnung an die Zuschauer, das mörderische Geschehen in der Oper nicht als Theater abzutun, sondern als Drama, wie es sich auch – oder gerade? – hinter bürgerlichen Fassaden abspielt?“. “Der Horror ist unter uns – das ist offenbar die Botschaft der Hamburger Elektra“, wird interpretiert. Über die Titelheldin wird berichtet, „dass die selbstzerstörerische Liebe der Elektra zu ihrem Vater der Motor der Handlung ist, oder genauer: des inneren Geschehens“. Die litauische Sopranistin Aušrinė Stundytė wird in der Hamburger Inszenierung als „der Solitär“ beurteilt.

Annette Matz beschreibt auf NDR.de „Das musikalisch atemlose, passend inszenierte Familiendrama wurde vom Publikum bejubelt“. „Die litauische Sopranistin Aušrinė Stundytė  […] singt diese unfassbar schwer anmutende Partie exzellent. Und ihre manische Verzweiflung kriecht bis oben in die Theaterränge. Beeindruckend auch Violeta Urmana als Klytämnestra und Jennifer Holloway als Elektras Schwester“. Die Rezensentin beschreibt „und so ist es vor allem ein Abend der Frauen, den Kent Nagano und sein Philharmonisches Staatsorchester üppig, exakt und leidenschaftlich begleiten […] Atem holen kann niemand in diesen knapp zwei Stunden. Die Musik ist jede Minute voller Spannung. Fast wie bei einem Hitchcock-Krimi treibt sie die Handlung auf der Bühne voran“.

Ralf Döring beschreibt in der Neuen Osnabrücker Zeitung „Der Horror ereignet sich mitten unter uns“. „Der Musikchef der Staatsoper verleiht dem psycho-Thriller den passenden musikalischen Tiefgang. […] und erleuchtet die Partitur in ihrer Vielschichtigkeit und Tiefe aus, gemeinsam mit dem hellwachen Staatsorchester, das transparent und präsent klingt, wie immer, wenn Nagano sich dem großen saftigen Opernrepertoire widmet“. Über die Titelpartie ist zu lesen „Aušrinė Stundytė  […] ist eine faszinierende, überwältigende Sängerin und Darstellerin“. Über Klytämnestra schreibt er „Urmana ist dabei grandios: Sie lotet in den bösartigsten Momenten die Grenze zum Sprechgesang aus und dreht gleich darauf wieder zum glühenden Furor auf, setzt dabei präzise Gesten, die anschaulich machen wie sich die Psyche nach außen stülpt“. „Holloway singt von ihrem Wünschen mit einem leuchtenden, obertonreichen Sopran der strahlend überm dichtesten Orchestergewitter leuchtet“, urteilt Döring über Chrysothemis.

Im Online-Portal IOCO fasst es Michael Stange in seiner Besprechung zusammen: „Die Hamburgische Staatsoper bot eine grandiose musikalisch fesselnde Aufführung. Kent Nagano beschenkte die Hamburger und auch sich selbst kurz nach seinem siebzigsten Geburtstag mit eine Festaufführung. Musikalisch ein glorioser Abend.“
Im Blog „Klassik begeistert“ urteilt Ralf Wegner im Anschluss an die Premiere „Insgesamt war es ein musikalisch und gesanglich herausragender Abend, zu dem auch die Interpretation durch Dmitri Tcherniakov wesentliches beitrug“.

Bei der klug informierten Besprechung auf O-Ton ist online zu lesen „Die Solisten sind großartig besetzt: Aušrinė Stundytė gibt mit dieser Elektra ihr erfolgreiches Hausdebüt in Hamburg […] Jennifer Holloway im Rollendebüt als Chrysothemis überzeugt von Anfang an. Sie ist auch im Stimmtimbre eine ideale Ergänzung in der Trias der drei Frauen. Violeta Urmana ist Klytämnestra. Sie vermag nicht nur die stimmlichen Anforderungen der erst vor kurzem ihrem Repertoire hinzugefügten Partie zu meistern, sondern kann auch die darstellerischen Aufgaben der speziellen Interpretation bestens zu erfüllen“. Zur Musikalischen Interpretation durch Kent Nagano: „Generalmusikdirektor Kent Nagano führt das Philharmonische Staatsorchester in Riesenbesetzung zu einer noch nicht gehörten Auffächerung der Partitur. […] Dabei befolgt Nagano die großsymphonische Struktur der Partitur, die nicht in erster Linie die Stimmen begleitet, sondern in der sich die Sänger einbringen müssen. Die schwierige Balance spielt sich mit den grandiosen Sängern im Laufe des Abends immer besser ein“. Im Fazit heißt das „Großer Applaus für alle Beteiligten, ohne Einschränkungen für das alternative Regiekonzept“.

Für den Deutschlandfunk hat Elisabeth Richter die Premiere besprochen. „Nagano hat kraftvoll und zwingend dirigiert, in den dynamischen Steigerungen, aber nicht überzogen, und sehr gut balanciert“, urteilt die Musikjournalistin. Sie haben „besonders Violeta Urmana als Klytämnestra und Jennifer Holloway als Chrysothemis beeindruckt. Sie waren exzellent textverständlich immer klar in der Diktion, trotz des gewaltigen Orchesterapparates von Strauss“. Und so fällt ihr Fazit aus: „Im Ganzen ein guter und inszenatorisch eindrücklicher Abend“.