Welche Rolle spielt eigentlich… ein Schlossermeister?
Was er und sein Team leisten, bleibt den Zuschauern in der Vorstellung meist verborgen, doch ein spektakuläres Bühnenbild ist ohne ihren Beitrag undenkbar. Seit acht Jahren ist Matthias Lohse Schlossermeister an der Hamburgischen Staatsoper. Wir haben ihn in den Werkstätten in Barmbek Nord besucht, wo er uns einen kleinen Einblick in seine wunderbare Welt der Konstruktionsskizzen, Schraubverbindungen und Alugerüste gegeben hat…
Betritt man die Werkstätten der Staatsoper im Schlicksweg, ist das wahrlich ein Erlebnis für alle Sinne: Es wird gesägt und gehämmert und geschweißt, der Duft von frischer Farbe liegt in der Luft und die sogenannten „Prospekte“ der Theatermaler – riesige Stofflaken, die den Boden und die Wände der Halle fast vollständig bedecken – bieten einen beeindruckenden Anblick.
Schon auf dem Weg in das Büro des Schlossermeisters gibt es einiges zu entdecken: Auf einem Regal im Flur steht ein halbes Dutzend kleiner Bühnenbildmodelle, die nach den Entwürfen der Bühnenbildner liebevoll und detailliert angefertigt wurden. Unverkennbar ist das von „Die Frau ohne Schatten“ mit den vielen ineinandergreifenden Elementen und Ebenen sowie der Wendeltreppe. Ein gelber Miniatur-Kran lässt auf das Modell zu „Otello“ schließen. Und ein weiteres Modell sticht ins Auge: verschieden große, bewegliche Regalwände vor einer sonst schwarzen Bühne. Das gehört ganz klar zur neusten Produktion: „Messa da Requiem“!
Matthias Lohse breitet die großen Konstruktionszeichnungen auf seinem Schreibtisch aus. „Die gehören zur Eröffnungsproduktion der nächsten Spielzeit“, erklärt er, „gerade bin ich dabei, anhand der Zeichnungen zu berechnen, wie viel Material benötigt wird und die Anbieter zu vergleichen.“
„Allein im letzten Jahr haben wir für die Gerüste in den Kulissen 9,3 Tonnen Aluminium verbaut. Die Menge an Stahl ist wahrscheinlich doppelt so groß.“
Wenn das bestellte Material ankommt, stellt Matthias Lohse seine Mitarbeiter zu Teams zusammen und teilt ihnen Aufgaben zu. Zwölf Kollegen und ein Lehrling sind zurzeit in der Schlosserei und Mechanik beschäftigt. Gerade arbeiten sie am Bühnenbild zu „Messa da Requiem“. Die große Regalkippwand, die wir bereits im kleinen Modell bewundern konnten, sieht am Ende aus, als wäre sie aus Holz – doch ihr Herzstück ist ein Skelett aus Aluminium, das für die nötige Stabilität sorgt: „Die Kippwand ist die große Herausforderung an diesem Bühnenbild“, meint der Schlossermeister, während er uns in eine Ecke der Werkstatthalle führt, in der eines der großen Einzelteile des Aluminiumgerüsts aufgebaut ist. Seine Mitarbeiter schweißen hier gerade die einzelnen Streben zusammen, dabei fliegen gleißend helle, blaue Funken sternenförmig in alle Richtungen.
Die Kippwand soll später im hinteren Bereich der Bühne stehen und sich während des Stückes langsam nach vorne neigen – kein leichtes Unterfangen bei einem Gewicht von etwa zwei Tonnen! Damit dies möglich ist, muss die Konstruktion der Aufhängung und der Stahlzüge genau berechnet werden.
Sicherheit wird in der Schlosserei groß geschrieben, denn die Sänger sollen sich am Ende gefahrlos auf der Bühne bewegen und dabei vollständig aufs Singen konzentrieren können. Das ist aber längst nicht das einzige Kriterium, auf das die Schlosser und Metallbauer achten müssen. Wenn nämlich Ästhetik und Vorstellungen des Bühnenbildners ins Spiel kommen, sind oft kreative Lösungen gefragt.
Ein Bühnenbild hat Matthias Lohse noch besonders gut in Erinnerung: Das zu „Les Troyens“ aus der Spielzeit 2016/17, das sogar mit dem Theaterpreis Hamburg Rolf Mares 2016 ausgezeichnet wurde. Es beinhaltete eine riesige Platte aus Aluminium, die sich über den Köpfen der Sänger langsam um die eigene Achse drehte, während das Theaterblut in Strömen darüber floss. „‚Les Troyens‘ war für uns besonders herausfordernd. Wir mussten in die Platte kleine Löcher lasern. So konnten wir das Gewicht reduzieren und gleichzeitig die Stabilität gewährleisten wie bei einem Flugzeugflügel“, erinnert sich der der Schlossermeister.
Auch die Haltbarkeit ist ein entscheidender Faktor, den es bei der Herstellung eines Bühnenbildes zu berücksichtigen gilt, da einige Repertoirestücke bis zu dreißig Jahre lang in der gleichen Inszenierung gespielt und die Kulissen immer wieder verwendet werden. Die Bühnenbilder müssen darum robust genug sein, um für die Vorstellungen vom Fundus in den LKW und vom LKW auf die Bühne transportiert zu werden. Gleichzeitig müssen sie aber auch für die Bühnenarbeiter möglichst schnell und einfach aufzubauen sein.
„Wenn wir bei den technischen Proben auf der Bühne dabei sind, heißt es oft: Ihr immer mit euren vielen Schrauben!“
Weiter geht es nach nebenan in die nächste große Halle. Hier wird an weiteren Teilen der „Messa da Requiem“-Kulissen in verschiedenen Stadien der Fertigstellung gebastelt und es ist so laut, dass man sein eigenes Wort kaum versteht. Eines der Metallgerüste ist bereits mit Holz verkleidet und sieht aus wie ein gigantisches Billy-Regal. Es ist so groß, dass ein Mensch es sich in einem der Fächer gemütlich machen könnte. „Die Verkleidung um das Aluminiumgerüst herum ist aus vier Millimeter starkem Pappel-Sperrholz, welches vorher bemalt wurde“, erklärt Matthias Lohse, „alles andere wäre viel zu schwer.“
Am Ende des langen Entstehungsprozesses der Kulisse ist das Werk der Schlosser meist elegant kaschiert von der Arbeit der Tischler, Plastiker und Theatermaler. Das vollständige Bühnenbild bei den technischen Proben in Aktion zu sehen, sorgt dennoch immer wieder für ein zufriedenstellendes Gefühl bei den Schlossen, Metallbauern und Feinmechanikern: „Man weiß ja, was man geleistet und dazu beigetragen hat.“
Was das Schönste an seinem Beruf ist, wollen wir noch vom Schlosserei-Chef wissen, bevor wir uns für den faszinierenden Einblick in die Werkstätte bedanken und verabschieden. Er muss nicht lange überlegen: „Die Abwechslung! Jedes Bühnenbild ist anders – mal fliegt etwas durch die Luft, mal muss etwas schnell auseinandergebaut werden. Das stellt uns vor immer neue, spannende Aufgaben.“